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Werte, Gemeinsamkeiten, Chancen: Enge Beziehungen zwischen Japan und Deutschland - trotz kultureller Unterschiede

Interview mit dem DJW-Vorstandsvorsitzenden Gerhard Wiesheu

Zuerst erschienen im Main Matsuri Magazin im August 2021

Di 14.09.2021, 09:00 Uhr

Das Interview mit unserem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Wiesheu ist als erstes im Main Matsuri Magazin im August 2021 erschienen.

Main Matsuri Magazin: Herr Wiesheu, Japan ist vor allem wegen der bevorstehen­den Olympischen Spiele in Tokio in aller Munde, aber auch ansons­ten ist es erstaunlich, wie lebendig und intensiv der Austausch zwi­schen Japan und Deutschland ist, wenn man bedenkt, dass zwischen beiden Ländern 9.000 km liegen. Woran liegt das Ihres Erachtens?

Gerhard Wiesheu: Sie haben Recht: Auf den ersten Blick ist es überraschend, dass die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland auf politischer, wirtschaft­licher und persönlicher Ebene sehr eng sind. Hinzu kommen große kulturelle Unterschiede zwischen beiden Nationen.

Ich glaube, dass ein Grund für die gu­ten Beziehungen in den vielen Parallelen beider Länder liegt. Beide haben sich erst spät im 19. Jahrhundert als moderne Nationalstaaten etabliert; beide schrie­ben mit einem falsch verstandenen Na­tionalismus das dunkelste Kapitel ihrer jeweiligen Geschichte. Und nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Japan und Deutschland dank US-Hilfe schnell mit dem Wiederaufbau beginnen – der dann in ein Wirtschaftswunder mündete.

Zudem haben in beiden Gesellschaften die Naturwissenschaften und vor allem die Ingenieurskunst einen hohen Stel­lenwert, sodass sich eine vergleichbare Wirtschaftsstruktur mit einer großen Automobilbranche und einem starken Maschinenbau herausgebildet hat. Ent­sprechend sind die Herausforderungen auf dem Weg zu »Net Zero« ähnlich. Als eine Schlüsseltechnologie für die Klima­neutralität rückt grüner Wasserstoff im­mer mehr in den Fokus – bei der Weiter­entwicklung dieser Technologie eröffnen sich für beide Länder viele neue Koopera­tionschancen.

Last but not least sind die deutschen und japanischen Industrieunternehmen aufgrund ihrer kleinen Heimatmärkte auf einen freien Zugang zu den Weltmärkten angewiesen. Somit haben beide Länder ein ausgeprägtes gemeinsames Interesse am Freihandel und an der Weiterentwick­lung der Globalisierung.

Sie sind Partner des Frankfurter Bankhauses Metzler. Ein Haus mit großer Tradition und über 340-jähriger Geschichte und noch heute im ausschließlichen Fami­lienbesitz. Was sollte man auf je­den Fall noch über das Bankhaus Metzler wissen?

Seit den Anfängen als Tuchhandlung im Jahr 1674 geht das Bankhaus Metzler konsequent seinen eigenen Weg – daher nennen wir uns auch »Die Bank mit Ei­gen-Sinn«. Stets bestimmt ausschließlich der Auftrag des Kunden unser Handeln – parallel dazu haben wir keine gegenläu­figen Geschäftsinteressen. Der professi­onelle Rat in allen Kerngeschäftsfeldern beruht neben der Unabhängigkeit auf Spezial-Know-how: Um für die Kun­den zuverlässig Werte zu schaffen und zu erhalten, entwickeln wir unsere Leis­tungen ständig zukunftsorientiert wei­ter. Unverändert bleiben jedoch unsere Grundsätze und -Unternehmenswerte Unabhängigkeit, Unternehmergeist und Menschlichkeit. Sie sind Kern der Tätig­keit und Basis von Metz­lers Integrität.

Traditionen und Werte spielen beim Familienunterneh­men Metzler also eine große Rolle. Inwiefern prägt dies auch das Engage­ment von Bank und Familie über das Bankgeschäft hinaus?

Für uns ist es seit jeher selbstverständlich, unseren Erfolg mit der Gemeinschaft zu teilen. Da halten wir es mit Henry Ford, der sinngemäß einmal gesagt hat, dass ein Unterneh­men, das nur Geld verdient, ein armes Unternehmen ist.

1998 mündeten unsere zum Teil jahr­hundertelangen Initiativen in die Metz­ler-Stiftung. Mit ihr bauen wir unser En­gagement in ganz Deutschland und auch Europa durch neue Ideen aus. Außerdem hoffen wir, dass unser Vorbild auch wei­tere Unternehmen oder Privatpersonen motiviert, sich ebenfalls für Frankfurt am Main und die Region zu engagieren. Anstiften zum Stiften nennen wir das.

Wenn man nach Ihnen im In­ternet sucht, dann fallen einem schnell ihre vielfältigen Ehre­nämter auf. Sie scheinen sich mit großer Freude für vielfältige Initiativen einzusetzen.

Der Schein trügt keineswegs. Für mich als bekennender christlich-sozialer Mensch ist es eine große Freude, mei­ne privilegierte Position für die Belange der Gemeinschaft einzusetzen und da­mit Projekte umzusetzen. Daher bin ich auch dankbar und stolz, in einer Bank zu arbeiten, in der ehrenamtliches Engage­ment der Mitarbeiter und Mitarbeite­rinnen nicht nur wertgeschätzt, sondern auch nach Kräften gefördert wird.

Neben ihrer Mitgliedschaft in Kuratorien und Beiräten fällt ein starker Bezug zu Asien, genauer gesagt zu Japan, auf. Was ver­birgt sich dahinter?

Ich habe viele Jahre in Japan gearbeitet und gelebt – und über diese lange Zeit die japanische Lebensart sehr zu schät­zen gelernt. Zudem bin ich mit einer Japanerin verheiratet, die mir natürlich noch einen viel intensiveren und per­sönlichen Zugang zur Kultur und Men­talität im Land der aufgehenden Sonne vermittelt hat. Daher liegt es mir sehr am Herzen, Japans ungeheure Vielfalt auch in Deutschland zugänglich zu ma­chen, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen und damit zu helfen, gegenseiti­ge Vorbehalte und Vorurteile abzubauen. Das gilt natürlich auch für die deutsche Kultur in Japan.

Zudem hat Metzler langjährige Ge­schäftsverbindungen nach Japan: Die 2001 gegründete Metzler Asset Manage­ment (Japan) Ltd. feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen am Finanzplatz Tokio. Die Mitar­beiter dort haben sich seitdem im As­set-Management als anerkannter An­sprechpartner für institutionelle Kun­den aus Japan eta­bliert. Eine immer größere Rolle spielt zudem, japanische Firmen bei Unter­nehmenstransakti­onen im deutschen Markt zu beraten. Auch werden Kunden aus Japan bei ihren Immobilieninvestments in den USA und Deutschland betreut.

In welchen Institutionen und Initiativen mit Japan-Fokus en­gagieren Sie sich denn konkret?

Erlauben Sie mir, auf drei Projekte stell­vertretend etwas näher einzugehen. Zunächst möchte ich das Engagement des Bankhauses für Nippon Connec­tion nennen – eine Erfolgsgeschichte aus Frankfurt am Main, die mir sehr am Herzen liegt. Schon seit 2006 be­gleiten wir das Team um Festivallei­terin Marion Klomfass auf seinem Weg von einer studentischen Initiative zum weltweit größten Festival für japanischen Film. Wir sind stolz, Teil dieser Erfolgs­geschichte zu sein.

Die japanisch-deutschen Beziehungen lassen sich auf vielfältige Weise fördern – das zeigt das abwechslungsreiche Ange­bot des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (JDZB). Ich freue mich sehr, dass ich hier in meiner Funktion als Stiftungs­ratsvorsitzender des JDZB die Möglich­keit habe, den Dialog zwischen beiden Ländern aktiv zu begleiten und mitzuge­stalten. Als gemeinnützige Stiftung setzt sich das JDZB bereits seit 1985 für den Austausch auf den Ebenen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Gesellschaft und Politik zwischen Japan und Deutschland aber auch international ein. Dabei wer­den bewusst Synergien mit Projekten und Aktivitäten von Kooperationspart­nern gesucht.

Mein drittes Engagement, das ich nen­nen möchte, ist der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW), dem ich vor­stehen darf. Der DJW wurde 1986 ge­gründet und ist als tragfähiges Netzwerk zum Austausch unter seinen Mitglie­dern, Partnern und Freunden bis heute zur größten überregionalen Plattform für Wirtschaftsfragen gewachsen. Wenn man den Weg der 160-jährigen Bezie­hungen zwischen Deutschland und Japan betrachtet, hat der DJW immerhin mehr als ein Fünftel dieser Zeit mitgestaltet und aktiv geformt. Ich betone dies, da besonders in der Zusammenarbeit mit Japan ein langfristig aufgebautes, ver­trauensvolles Verhältnis Grundstein für den Erfolg ist; Japan ist kein Markt für Schnellschüsse oder Kurzentschlossene, hier Fuß zu fassen bedarf Geduld, Zeit und – ja auch Nerven. Der DJW ver­bindet Menschen in beiden Ländern, rückt vielfältige Wirtschaftsthemen in seinen Fokus und ermöglicht so einen gleichberechtigten, inklusiven Dialog zwi­schen allen Mitwirkenden.

Welche Themen werden uns bei den Wirtschaftsbeziehungen zwi­schen Japan und Deutschland in Zukunft begleiten?

Ich hatte es kurz angesprochen, für bei­de Volkswirtschaften ist der regelbasierte, freie Welthandel von enormer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum. Daher müssen wir die globalen Entwicklungen nicht nur unserer wichtigen Handelspart­ner wie China und den USA, sondern auch in Drittländern beobachten, auf deren Märkten wir tätig sind. Globali­sierung, stabile Lieferketten, aber auch nachhaltige Investitionen und Klimaneu­tralität sind wichtige Fragen, die es gesell­schaftlich wie wirtschaftlich zu lösen gilt. Dabei spielt heute wie morgen die Digi­talisierung eine große Rolle, ebenso die Entwicklung und Förderung neuer Tech­nologien beispielsweise zum effizienten Einsatz des Energieträgers Wasserstoff, zur weiteren Erforschung des Weltraums und zur Gestaltung verantwortungsbe­wusster Produktionsmuster.

Sie sind seit Oktober 2020 au­ßerdem der neue Präsident der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance. Haben Sie auch dort Kontakte zu Japan?

Auch bei Frankfurt Main Finance pflegen wir traditionell gute Beziehungen zu ja­panischen Vertretern aus der Finanzwirt­schaft. Der Brexit hat die Präsenz japani­scher Banken am wichtigsten Finanzplatz in Kontinentaleuropa noch verstärkt – sie waren die ersten, die nach dem Brexit-Vo­tum der Briten ein klares Bekenntnis zum Standort Frankfurt als EU-Zentrale abgegeben haben: Bestehende Niederlas­sungen japanischer Banken in Frankfurt wurden ausgebaut oder komplett von London an den Main verlagert. Heute gibt es regelmäßige, gegenseitige Besuche von Finanzplatzvertretern und gemein­same Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Vortrag eines Nomura-Vertreters zu »Gapponshugi« im Rahmen der »Food for Thought«-Vortragsreihe von Frank­furt Main Finance und dem Auslandsban­kenverband.

Gerhard Wiesheu (DJW-Vorstandsvorsitzender) Gerhard Wiesheu (DJW-Vorstandsvorsitzender)

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