Interview mit dem DJW-Vorstandsvorsitzenden Gerhard Wiesheu
Zuerst erschienen im Main Matsuri Magazin im August 2021
Das Interview mit unserem Vorstandsvorsitzenden Gerhard Wiesheu ist als erstes im Main Matsuri Magazin im August 2021 erschienen.
Main Matsuri Magazin: Herr Wiesheu, Japan ist vor allem wegen der bevorstehenden Olympischen Spiele in Tokio in aller Munde, aber auch ansonsten ist es erstaunlich, wie lebendig und intensiv der Austausch zwischen Japan und Deutschland ist, wenn man bedenkt, dass zwischen beiden Ländern 9.000 km liegen. Woran liegt das Ihres Erachtens?
Gerhard Wiesheu: Sie haben Recht: Auf den ersten Blick ist es überraschend, dass die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland auf politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene sehr eng sind. Hinzu kommen große kulturelle Unterschiede zwischen beiden Nationen.
Ich glaube, dass ein Grund für die guten Beziehungen in den vielen Parallelen beider Länder liegt. Beide haben sich erst spät im 19. Jahrhundert als moderne Nationalstaaten etabliert; beide schrieben mit einem falsch verstandenen Nationalismus das dunkelste Kapitel ihrer jeweiligen Geschichte. Und nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Japan und Deutschland dank US-Hilfe schnell mit dem Wiederaufbau beginnen – der dann in ein Wirtschaftswunder mündete.
Zudem haben in beiden Gesellschaften die Naturwissenschaften und vor allem die Ingenieurskunst einen hohen Stellenwert, sodass sich eine vergleichbare Wirtschaftsstruktur mit einer großen Automobilbranche und einem starken Maschinenbau herausgebildet hat. Entsprechend sind die Herausforderungen auf dem Weg zu »Net Zero« ähnlich. Als eine Schlüsseltechnologie für die Klimaneutralität rückt grüner Wasserstoff immer mehr in den Fokus – bei der Weiterentwicklung dieser Technologie eröffnen sich für beide Länder viele neue Kooperationschancen.
Last but not least sind die deutschen und japanischen Industrieunternehmen aufgrund ihrer kleinen Heimatmärkte auf einen freien Zugang zu den Weltmärkten angewiesen. Somit haben beide Länder ein ausgeprägtes gemeinsames Interesse am Freihandel und an der Weiterentwicklung der Globalisierung.
Sie sind Partner des Frankfurter Bankhauses Metzler. Ein Haus mit großer Tradition und über 340-jähriger Geschichte und noch heute im ausschließlichen Familienbesitz. Was sollte man auf jeden Fall noch über das Bankhaus Metzler wissen?
Seit den Anfängen als Tuchhandlung im Jahr 1674 geht das Bankhaus Metzler konsequent seinen eigenen Weg – daher nennen wir uns auch »Die Bank mit Eigen-Sinn«. Stets bestimmt ausschließlich der Auftrag des Kunden unser Handeln – parallel dazu haben wir keine gegenläufigen Geschäftsinteressen. Der professionelle Rat in allen Kerngeschäftsfeldern beruht neben der Unabhängigkeit auf Spezial-Know-how: Um für die Kunden zuverlässig Werte zu schaffen und zu erhalten, entwickeln wir unsere Leistungen ständig zukunftsorientiert weiter. Unverändert bleiben jedoch unsere Grundsätze und -Unternehmenswerte Unabhängigkeit, Unternehmergeist und Menschlichkeit. Sie sind Kern der Tätigkeit und Basis von Metzlers Integrität.
Traditionen und Werte spielen beim Familienunternehmen Metzler also eine große Rolle. Inwiefern prägt dies auch das Engagement von Bank und Familie über das Bankgeschäft hinaus?
Für uns ist es seit jeher selbstverständlich, unseren Erfolg mit der Gemeinschaft zu teilen. Da halten wir es mit Henry Ford, der sinngemäß einmal gesagt hat, dass ein Unternehmen, das nur Geld verdient, ein armes Unternehmen ist.
1998 mündeten unsere zum Teil jahrhundertelangen Initiativen in die Metzler-Stiftung. Mit ihr bauen wir unser Engagement in ganz Deutschland und auch Europa durch neue Ideen aus. Außerdem hoffen wir, dass unser Vorbild auch weitere Unternehmen oder Privatpersonen motiviert, sich ebenfalls für Frankfurt am Main und die Region zu engagieren. Anstiften zum Stiften nennen wir das.
Wenn man nach Ihnen im Internet sucht, dann fallen einem schnell ihre vielfältigen Ehrenämter auf. Sie scheinen sich mit großer Freude für vielfältige Initiativen einzusetzen.
Der Schein trügt keineswegs. Für mich als bekennender christlich-sozialer Mensch ist es eine große Freude, meine privilegierte Position für die Belange der Gemeinschaft einzusetzen und damit Projekte umzusetzen. Daher bin ich auch dankbar und stolz, in einer Bank zu arbeiten, in der ehrenamtliches Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur wertgeschätzt, sondern auch nach Kräften gefördert wird.
Neben ihrer Mitgliedschaft in Kuratorien und Beiräten fällt ein starker Bezug zu Asien, genauer gesagt zu Japan, auf. Was verbirgt sich dahinter?
Ich habe viele Jahre in Japan gearbeitet und gelebt – und über diese lange Zeit die japanische Lebensart sehr zu schätzen gelernt. Zudem bin ich mit einer Japanerin verheiratet, die mir natürlich noch einen viel intensiveren und persönlichen Zugang zur Kultur und Mentalität im Land der aufgehenden Sonne vermittelt hat. Daher liegt es mir sehr am Herzen, Japans ungeheure Vielfalt auch in Deutschland zugänglich zu machen, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen und damit zu helfen, gegenseitige Vorbehalte und Vorurteile abzubauen. Das gilt natürlich auch für die deutsche Kultur in Japan.
Zudem hat Metzler langjährige Geschäftsverbindungen nach Japan: Die 2001 gegründete Metzler Asset Management (Japan) Ltd. feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Bestehen am Finanzplatz Tokio. Die Mitarbeiter dort haben sich seitdem im Asset-Management als anerkannter Ansprechpartner für institutionelle Kunden aus Japan etabliert. Eine immer größere Rolle spielt zudem, japanische Firmen bei Unternehmenstransaktionen im deutschen Markt zu beraten. Auch werden Kunden aus Japan bei ihren Immobilieninvestments in den USA und Deutschland betreut.
In welchen Institutionen und Initiativen mit Japan-Fokus engagieren Sie sich denn konkret?
Erlauben Sie mir, auf drei Projekte stellvertretend etwas näher einzugehen. Zunächst möchte ich das Engagement des Bankhauses für Nippon Connection nennen – eine Erfolgsgeschichte aus Frankfurt am Main, die mir sehr am Herzen liegt. Schon seit 2006 begleiten wir das Team um Festivalleiterin Marion Klomfass auf seinem Weg von einer studentischen Initiative zum weltweit größten Festival für japanischen Film. Wir sind stolz, Teil dieser Erfolgsgeschichte zu sein.
Die japanisch-deutschen Beziehungen lassen sich auf vielfältige Weise fördern – das zeigt das abwechslungsreiche Angebot des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin (JDZB). Ich freue mich sehr, dass ich hier in meiner Funktion als Stiftungsratsvorsitzender des JDZB die Möglichkeit habe, den Dialog zwischen beiden Ländern aktiv zu begleiten und mitzugestalten. Als gemeinnützige Stiftung setzt sich das JDZB bereits seit 1985 für den Austausch auf den Ebenen Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Gesellschaft und Politik zwischen Japan und Deutschland aber auch international ein. Dabei werden bewusst Synergien mit Projekten und Aktivitäten von Kooperationspartnern gesucht.
Mein drittes Engagement, das ich nennen möchte, ist der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW), dem ich vorstehen darf. Der DJW wurde 1986 gegründet und ist als tragfähiges Netzwerk zum Austausch unter seinen Mitgliedern, Partnern und Freunden bis heute zur größten überregionalen Plattform für Wirtschaftsfragen gewachsen. Wenn man den Weg der 160-jährigen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan betrachtet, hat der DJW immerhin mehr als ein Fünftel dieser Zeit mitgestaltet und aktiv geformt. Ich betone dies, da besonders in der Zusammenarbeit mit Japan ein langfristig aufgebautes, vertrauensvolles Verhältnis Grundstein für den Erfolg ist; Japan ist kein Markt für Schnellschüsse oder Kurzentschlossene, hier Fuß zu fassen bedarf Geduld, Zeit und – ja auch Nerven. Der DJW verbindet Menschen in beiden Ländern, rückt vielfältige Wirtschaftsthemen in seinen Fokus und ermöglicht so einen gleichberechtigten, inklusiven Dialog zwischen allen Mitwirkenden.
Welche Themen werden uns bei den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Japan und Deutschland in Zukunft begleiten?
Ich hatte es kurz angesprochen, für beide Volkswirtschaften ist der regelbasierte, freie Welthandel von enormer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum. Daher müssen wir die globalen Entwicklungen nicht nur unserer wichtigen Handelspartner wie China und den USA, sondern auch in Drittländern beobachten, auf deren Märkten wir tätig sind. Globalisierung, stabile Lieferketten, aber auch nachhaltige Investitionen und Klimaneutralität sind wichtige Fragen, die es gesellschaftlich wie wirtschaftlich zu lösen gilt. Dabei spielt heute wie morgen die Digitalisierung eine große Rolle, ebenso die Entwicklung und Förderung neuer Technologien beispielsweise zum effizienten Einsatz des Energieträgers Wasserstoff, zur weiteren Erforschung des Weltraums und zur Gestaltung verantwortungsbewusster Produktionsmuster.
Sie sind seit Oktober 2020 außerdem der neue Präsident der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance. Haben Sie auch dort Kontakte zu Japan?
Auch bei Frankfurt Main Finance pflegen wir traditionell gute Beziehungen zu japanischen Vertretern aus der Finanzwirtschaft. Der Brexit hat die Präsenz japanischer Banken am wichtigsten Finanzplatz in Kontinentaleuropa noch verstärkt – sie waren die ersten, die nach dem Brexit-Votum der Briten ein klares Bekenntnis zum Standort Frankfurt als EU-Zentrale abgegeben haben: Bestehende Niederlassungen japanischer Banken in Frankfurt wurden ausgebaut oder komplett von London an den Main verlagert. Heute gibt es regelmäßige, gegenseitige Besuche von Finanzplatzvertretern und gemeinsame Veranstaltungen, wie zum Beispiel den Vortrag eines Nomura-Vertreters zu »Gapponshugi« im Rahmen der »Food for Thought«-Vortragsreihe von Frankfurt Main Finance und dem Auslandsbankenverband.