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Kolumne (Dezember 2020)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Rückblick auf das Jahr 2020: Ein Jahr der Gegensätze: Isolation, Solidarität und Zukunftschancen

Di 15.12.2020, 14:00 Uhr

Die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen

Die Geschehnisse von 2020 hätten zweifellos auch eine Dekade füllen können –ausgehend von der globalen Ausbreitung des Coronavirus, die im Frühjahr vorübergehend einen weitgehenden Stillstand von öffentlichem Leben und Wirtschaft erforderte. Die Reaktionen auf die stetig zunehmenden Fallzahlen und eine drohende Überlastung des Gesundheitswesens fielen jedoch regional sehr unterschiedlich aus. Viele asiatische Staaten antworteten bereits im Februar mit umfangreichen Eindämmungen. Auch Japan reagierte schnell und erfolgreich, doch im Gegensatz zu China, Taiwan und Südkorea ließ sich die Verbreitung des Virus hier ohne drakonische Einschränkungen und umfangreiche Testprogramme eindämmen, sondern mit einem Kurs, der weitestgehend auf Freiwilligkeit setzt. Oft werden Japans einzigartige kulturelle Gepflogenheiten wie die Einhaltung von hohen Hygienestandards und das hohe Vertrauen in die Vorgaben der Regierung als Gründe für die Wirksamkeit der Maßnahmen gesehen. Mittlerweile schreiben Experten aber einen Großteil des japanischen Erfolgs der Cluster-Strategie zu, mit der sich die Regierung schon früh darauf konzentrierte, Infektionsherde und Super-Spreader zu lokalisieren.

Die westlichen Staaten agierten dagegen erst (zu) spät, sodass sie bis heute in einem Kreislauf wiederkehrender Lockdowns gefangen sind – und die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal fast durchweg zweistellig sank. Während eine gleichzeitige Zunahme der Arbeitslosigkeit in Europa dank Kurzarbeit weitestgehend ausblieb, stieg die Erwerbs­losenquote in den USA auf das höchste Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. Um den Schaden für die Wirtschaft abzumildern, schnürten zahlreiche Regierungen noch weit umfangreichere fiskalische Hilfspakete als in der Finanzkrise 2008/2009 – in der Europäi­schen Union flankiert von einem gemeinsamen EU-Wiederaufbaufonds. Die wichtigsten Notenbanken reagierten auf die Effekte der Coronakrise mit einem extrem expansiven Kurs. Die Zinssenkungen und nahezu unbegrenzten Kaufprogramme für Wertpapiere vermittelten den Finanzakteuren den beruhigenden Eindruck, dass die Notenbanker jederzeit ausreichend Liquidität bereitstellen werden, um die Wirtschaft zu stabilisieren.

Die Präsidentschaftswahl in den USA und Wirt­schaftspartnerschaft (RCEP) als Zeichen für Globalisierung und Freihandel

Ab Ende Oktober stand die Präsidentschaftswahl in den USA im Blickpunkt. Mehr als 160 Mio. US-Bürger entschieden nicht nur über den politischen Kurs in ihrem Heimatland, sondern auch indirekt über die Zukunft der globalen Ordnung in Politik und Wirtschaft. Letztlich siegten die Befürworter von Globalisierung und Freihandel. Zusätzlich gestärkt wurde diese Tendenz durch den im November unterzeichneten Vertrag für eine Wirt­schaftspartnerschaft (RCEP) zwischen zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten und fünf weiteren Ländern in der Region Asien-Pazifik – darunter China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Mit 30 % der Weltbevölkerung (2,3 Mrd. Menschen) und 30 % des Welthandels umfasst das Abkommen die größte Freihandelszone der Welt.

Post-Brexit-Handelspakt

Entgegen dem wiedererstarkten Freihandelsgeist scheinen die Fronten in den Verhandlungen zu einem Post-Brexit-Handelspakt zwischen Großbritannien und der Europäischen Union verhärtet zu sein. Ein freier Zugang zum EU-Binnenmarkt ohne Beachtung der europäischen Wettbewerbsregeln klingt eher nach einem britischen Traum als nach einem realistischen Verhandlungsziel. Wenn sich die Verhandlungs­partner in den kommenden Wochen nicht einigen sollten, droht der Rückfall in nationale Egoismen, verbunden mit Zöllen und anderen Handelshürden.

Gerhard Wiesheu
Vorstandssprecher, B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG 
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
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