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Deutsch-japanische-Beziehungen – Vorbild für eine gelungene internationale Kooperation

Artikel unseres Vorstandsvorsitzenden Gerhard Wiesheu

Zuerst erschienen in der Sonderausgabe des Mitgliedermagazins der JDG Tokyo "Die Brücke" im August 2021

Di 14.09.2021, 08:45 Uhr

Beeinflusst der geografische Abstand Wirtschaftsbeziehungen und bilateralen Handel? Empirische Studien belegen dies. Daher ist es auf den ersten Blick überraschend, dass die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland auf politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Ebene sehr eng sind. Denn zwischen Deutschland und Japan liegen immerhin 9.000 km. Hinzu kommen große kulturelle Unterschiede zwischen beiden Nationen.

Ich glaube, dass ein Grund für die guten Beziehungen in den vielen Parallelen beider Länder liegt. Der Blick zurück zeigt, dass Deutschland und Japan erst spät im 19. Jahrhundert zu modernen Nationalstaaten geworden sind. Und beide schrieben mit der Übertreibung des nationalen Gedankens das dunkelste Kapitel ihrer jeweiligen Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Japan und Deutschland dank US-Unterstützung schnell mit dem Wiederaufbau beginnen – der dann in ein Wirtschaftswunder mündete.

Eine weitere Parallele: In beiden Gesellschaften haben die Naturwissenschaften und vor allem die Ingenieurskunst einen hohen Stellenwert, sodass sich eine ähnliche Wirtschaftsstruktur mit einer großen Automobilbranche und einem starken Maschinenbau herausgebildet hat. Entsprechend stehen Deutschland und Japan heute auch vor den gleichen ökologischen Herausforderungen auf dem Weg zu „Net Zero“. Als eine Schlüsseltechnologie für die Klimaneutralität rückt grüner Wasserstoff immer mehr in den Fokus – bei der Weiterentwicklung dieser Technologie eröffnen sich viele neue Kooperationsmöglichkeiten beider Länder.

Die deutschen und japanischen Industrieunternehmen sind aufgrund ihrer kleinen Heimatmärkte auf einen freien Zugang zu den Weltmärkten angewiesen: Nur dann lassen sich die Umsatzvolumina erreichen, die nötig sind für eine hohe Produktivität, für die Finanzierung der Ausgaben für Forschung & Entwicklung und für das Erreichen einer attraktiven Eigenkapitalrendite. Beide Länder haben somit ein ausgeprägtes gemeinsames Interesse am Freihandel und an der Weiterentwicklung der Globalisierung. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen Japan und der Europäischen Union (EU), das 2019 in Kraft trat, fördert nicht nur den bilateralen Handel, sondern ist auch ein Beispiel für andere Länder, wie eine enge internationale Kooperation gut funktionieren kann.

Derzeit ist Deutschland innerhalb der EU der mit Abstand wichtigste Handelspartner Japans. Japan wiederum ist, gemessen am Import- und Exportumsatz, Deutschlands zweitgrößter Handelspartner im asiatischen Raum. 2020 belief sich das Handelsvolumen trotz eines starken pandemiebedingten Rückgangs auf fast 40 Mrd. EUR (~4,7 Bio. Yen). Zahlreiche Institutionen und Organisationen sind aktiv, um besonders den wirtschaftlichen Austausch zu intensivieren und weitere Potenziale der Zusammenarbeit zu erschließen.

Das größte bilateral aktive Netzwerk ist hier der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW), der gemeinsam mit seinen 1.100 Mitgliedern die deutsch-japanischen Beziehungen in Wirtschaftsfragen gestaltet. Warum sind stabile, tragfähige Netzwerke wie der DJW von besonderer Bedeutung? Gerade in der heute so schnelllebigen, zunehmend digitalen Welt sind es bestehende Kontakte, auf die wir uns bei Kooperationen, bei Entscheidungen und für Ratschläge verlassen können. Es sind diese vielfältigen Verbindungen in alle Richtungen, die unseren Alltag bereichern und unser Netzwerk lebendig machen: Kontakte, über die wir in Veranstaltungen, in Gesprächen und in regelmäßigem Austausch unseren Kreis erweitern können und die uns Türen öffnen zu neuen Multiplikatoren, Partnern und Mitgliedern.

Aber auch jenseits des Handels und dem gemeinsamen Klären von Wirtschaftsfragen sind beide Nationen mittlerweile tief verbunden, allen voran bei der kulturellen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Allein in Deutschland bestehen heute knapp 50 Deutsch-Japanische Gesellschaften – Tendenz steigend. Den stetigen interkulturellen Austausch ermöglichen unter anderem 800 bilaterale Hochschulkooperationen, drei Zweigstellen des Goethe-Instituts in Japan und die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG) in Tokio.

Meines Erachtens werden zwischenstaatliche Beziehungen von der Bevölkerung insbesondere dann als wertvoll und gelungen empfunden, wenn es einen regen Austausch gibt und sich Geben und Nehmen ungefähr die Waage halten. Für die Beziehungen zwischen Japan und Deutschland sind diese Voraussetzungen eindeutig erfüllt, wie auch die in etwa ausgeglichene Handelsbilanz zeigt.

In den USA scheint jedoch das Gefühl entstanden zu sein, zu viel zu geben – im Sinne freier Märkte für ausländische Importe und hoher Kosten für die Aufrechterhaltung des Welthandelssystems –, im Gegenzug aber kaum etwas dafür zu bekommen, abzulesen am geringen Wachstum der eigenen Exporte. Solange diese Unzufriedenheit in den USA besteht, solange ist das Welthandelssystem in seiner gegenwärtigen Form gefährdet. Japan und Deutschland haben hier die Aufgabe, zusammen an einer Reform des Welthandelssystems zu arbeiten, das für die eigenen Exportunternehmen einen freien Zugang zu den Weltmärkten auch in Zukunft ermöglicht.

Die Welt verändert sich rapide – mit neuen Herausforderungen und Chancen. Zentrale Themen wie Klimawandel und Freihandel lassen sich aber nur dann bewältigen, wenn sich alle Wirtschaftsakteure an einer Lösung beteiligen, die sie als Win-Win-Situation empfinden. Deutschland und Japan sind und werden hierfür ein Vorbild für die Weltgemeinschaft sein.

Sonderausgabe des Mitgliedermagazins der JDG Tokyo „Die Brücke“ / JDG東京の会員誌「Die Brücke」の特別版 Sonderausgabe des Mitgliedermagazins der JDG Tokyo „Die Brücke“ / JDG東京の会員誌「Die Brücke」の特別版
Gerhard Wiesheu, Vorstandsvorsitzenden des DJW Gerhard Wiesheu, Vorstandsvorsitzenden des DJW

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