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Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung – Stand des OECD-Projekts in Deutschland und Japan sowie Ausblick auf das Jahressteuergesetz 2018

Jörg Grünenberger und Jan Schneemann, KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Dieser Artikel erschien ursprünglich in den DJW News 4/2017.

Mo 16.10.2017, 11:57 Uhr

Die 2013 gestartete Initiative zur Bekämpfung von Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (Project against „Base Erosion and Profit Shifting“ BEPS) betrifft Konzerne, die global agieren. Die OECD und die G20-Staaten initiierten BEPS, da globale Unternehmen wie Apple oder Starbucks ihre Gewinne zunehmend unabhängig vom Ort der Erwirtschaftung der Wertschöpfung gering oder gar nicht versteuern. Ein Gestaltungsmittel war zum Beispiel die (willkürliche) Verlagerung von Einkünften auf (ausländische) Konzerngesellschaften in Steueroasen durch Lizenzoder auch Dienstleistungsverträge. Vorteile ergaben sich auch bei hybriden Gestaltungen, wenn z. B. ein Steuerrecht Finanzierungsformen als Darlehen und ein anderes Land die Finanzierung als Eigenkapital qualifizierte. Diese Steuervermeidungskonzepte waren nicht strafbar, verzerrten aber willkürlich den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Volkswirtschaften und Unternehmen und untergruben das Vertrauen in die Steuergerechtigkeit. Im OECDBEPS-Projekt verpflichteten sich die teilnehmenden Länder auf die nachfolgenden Mindeststandards: 

  1. Offenlegung schädlicher Steuerpraktiken und größere Transparenz bei den internationalen Regeln zur Gewinnbesteuerung.
  2. Neue Leitlinien zur Verhinderung von Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).
  3. Standardisierte länderbezogene Berichterstattung.
  4. Effektive Streitschlichtung. 

Auch das neue DBA zwischen Japan und Deutschland, das zum Januar 2017 in Kraft getreten ist, beinhaltet Umsetzungspunkte (Action Points) des OECD-BEPS-Projektes. Nachstehend sind die Aktionspunkte kurz erläutert sowie der Stand der Umsetzung skizziert. Die 15 Action Points im Überblick: 

Action Point 1: Besteuerung der digitalen Wirtschaft

In Zukunft sollen technologische Entwicklungen bei der Digitalisierung intensiver beobachtet werden. Seit der Steuerreform 2015 unterliegen in Japan beispielsweise auch bestimmte digitale Dienste der japanischen Umsatzsteuer. 

Action Point 2: Hybride Gestaltung

Finanzinstrumente und Investment-Strukturen werden intensiver beobachtet, um aufgrund von Qualifikationskonflikten zwischen verschiedenen nationalen Steuerrechten einen steuerlichen Abzug ohne korrespondierenden steuerlichen Ertrag oder einen doppelten Abzug zu vermeiden. Die Umsetzung dieses Aktionspunktes findet sich auch im neuen DBA zwischen Deutschland und Japan (Art. 1 Abs. 2). 

Action Point 3: Hinzurechnungsbesteuerung

Hintergrund ist, dass Unternehmen Gewinne auf substanzlose ausländische Konzern-Gesellschaften verlagerten und somit einer Besteuerung im Inland entzogen. Sowohl Japan als auch Deutschland haben bereits mit der Hinzurechnungsbesteuerung im Konzern („Controlled Foreign Corporations Rules“/CFC) Regularien zur Vermeidung umgesetzt. Aufgrund dessen sind durch BEPS keine wesentlichen inhaltlichen Neuerungen in beiden Ländern zu erwarten. 

Action Point 4: Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Abzug von Zins- oder sonstigen finanziellen Aufwendungen

Action Point 4 sieht vor, dass eine Gewinnverlagerung durch übermäßige Fremdfinanzierung eingeschränkt werden soll. Deutschland besitzt bereits eine umfassende Regelung (Zinsschranke, § 8a Körperschaftsteuergesetz / KStG). In Japan existieren zurzeit nur Gewinnabführungsregelungen, die den Abzug von Zinsen beschränken, wenn diese 50 % des angepassten steuerpflichtigen Einkommens übersteigen. Aufgrund des OECD BEPS-Projektes wird diese Beschränkung aller Voraussicht nach ausgeweitet. Die Entwicklung in Japan bleibt abzuwarten. 

Action Point 5: Arbeiten gegen schädlichen Steuerwettbewerb

Ein Steuerpflichtiger soll in Zukunft nur dannbezüglich Lizenzeinkünften steuerlich privilegiert werden (Patentboxen), wenn er Forschungs- und Entwicklungskosten zur Entwicklung dieses Investitionsprojektes selber getragen hat. Japan plant keine Einführung eines solchen Gesetzes, wohingegen in Deutschland am 4. Juli 2017 die sog. Lizenzschranke (§ 4j EStG) beschlossen wurde. Dadurch wird die steuerliche Abzugsmöglichkeit für Lizenz- und andere Rechteüberlassungen eingeschränkt, wenn diese Einnahmen beim Empfänger aufgrund eines als schädlich einzustufenden Regimes nicht oder nur niedrig besteuert  werden. 

Action Point 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch

Durch die Verhinderung von Abkommensmissbrauch soll beispielweise dem sog. Treaty Shopping entgegenwirkt werden. Dazu wurde eine Limitation-on-Benefits (LOB) Regelung entwickelt, nach der durch DBA gewährte Vorteile nur noch Unternehmen gewährt werden sollen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Eine ähnliche Regelung gibt es bereits in Deutschland mit § 50d EStG und ist auch im neuen deutsch-japanischen DBA wiederzufinden (Art. 21). 

Action Point 7: Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs

Häufig wird gezielt versucht, durch Gestaltungsmaßnahmen das Vorliegen einer steuerlichen Betriebsstätte zu vermeiden, vor allem, da mit dem Vorliegen von Betriebsstätten lokale „Tax-Compliance“-Anforderungen verbunden sind. Diese „Umgehungsmöglichkeiten“ sollen ebenfalls durch das OECD-BEPS-Projekt eingeschränkt werden. Im neuen DBA ist daher eine Aktualisierung des Begriffs umgesetzt worden. Mit dem MLI („Multilateralen Instrument“) soll es zukünftig möglich sein, eine Vielzahl bestehender DBAs in einem vereinfachten Verfahren an international vereinbarte Standards anzupassen. Deutschland hat sich allerdings dagegen ausgesprochen, eine „Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs bei Kommissionärsmodellen und -ähnlichen Gestaltungen“ (Art. 12 MLI) anzuwenden, da befürchtet wird, dass ausländischen Staaten vermehrt Betriebsstätten annehmen und damit Besteuerungssubstrat von Deutschland abwandert. 

Action Point 8-10: Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien

Besonders bei der Gestaltung von Verrechnungspreisen im Konzern hinsichtlich immaterieller Wirtschaftsgüter fällt eine Beurteilung fremdüblichen Handelns in der Praxis schwer. Um in Zukunft einen besseren Überblick über die Preisfeststellung zu erhalten, sollen laut OECD die wirtschaftliche Substanz des Konzerns und deren geografische Verteilung der globalen Wertschöpfungskette in den Mittelpunkt der Verrechnungspreisbildung fallen. 

Action Point 11: Messung und Monitoring von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung

Dieser Aktionspunktbesagt, dass die Verfügbarkeit von Steuerdaten in Bezug auf das BEPS-Projekt verbessert werden soll, um Analysen der Auswirkungen sowie Gegenmaßnahmen zu erleichtern. 

Action Point 12: Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle

Beim Action Point 12 handelt es sich nicht um einen Mindeststandard, d. h. es ist den teilnehmen Ländern am OECD-BEPS-Projekt freigestellt, ob sie eine verbindliche Offenlegung einführen wollen oder nicht. Vordergründig geht es bei der Offenlegung aggressiver Steuerplanungsmodelle darum, dass es Staaten erleichtert werden soll, sich frühzeitig Informationen zu missbräuchlichen oder aggressiven Steuerplanungsmodellen von Unternehmen zu verschaffen. 

Action Point 13: Verrechnungspreisdokumentation

Die OECD schlägt in Projektpunkt 13 eine weltweite einheitliche dreistufige Struktur der Verrechnungspreisdokumentation vor. Dabei soll jährlich neben einem

  • konzernweiten Masterfile und
  • einem lokalen Countryfile
  • ein sogenanntes Country-by-country-reporting (CbC reporting)

erstellt werden. Während das Masterfile einen zusammengefassten Überblick über  Wertschöpfungsketten und Verrechnungspreispolitik im gesamten Konzern geben soll, ergänzt das lokale Countryfile die Dokumentation um die spezifische Sachverhaltsdokumentation der jeweiligen Konzerngesellschaften und deren konkrete Angemessenheitsdokumentation. Das hinzukommende globale CbC reporting soll den Finanzverwaltungen ein tabellarisches und zahlenorientiertes (globales) Abbild des Konzerns zur Verfügung stellen. Sowohl in Japan als auch in Deutschland wurde bereits in den jüngsten Steuerreformen bzw. Gesetzesänderungen die Dokumentationspflicht im Gesetz implementiert. 

Action Point 14: Streitvermeidung und Streitschlichtung

Da nach Ansicht vieler Mitgliedsstaaten die BEPS-Maßnahmen zu vermehrten Doppelbesteuerungsstreitigkeiten führen werden, sollen laut Projektpunkt 14 Instrumente zur Streitschlichtung und Doppelbesteuerungsvermeidung (z. B. Verständigungsverfahren) verbessert werden. Diesbezüglich weist das neue DBA Deutschland-Japan eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Stand auf, da nunmehr eine verbindliche Einigung zwischen den Behörden erzielt werden muss.

Action Point 15: Entwicklung eines multilateralen Instruments

Zu diesem Punkt haben die OECD und die G20-Staaten im Februar 2015 ein Mandat zur Verhandlung eines multilateralen Instruments erteilt. Dieses geplante multilaterale Übereinkommen soll künftige und bestehende DBAs ergänzen und primär eine schnelle Umsetzung der im Rahmen der anderen Aktionspunkte beschlossene BEPS-Maßnahmen ermöglichen. 

Jahressteuergesetz 2018 – Deutschland

In Deutschland wurden die Aktionspunkte des BEPS-Projektsin den Steueränderungsgesetzen der letzten Jahre vielfach aufgegriffen. Dazu zählen beispielsweise verschärfte Anzeigepflichten gemäß § 138 AO, wie auch neue Mitteilungspflichten für Finanzinstitute in § 138c AO, als auch neue Aufbewahrungspflichten für Steuerpflichtige in § 147a Abs. 2 AO, aber auch das bereits genannte Lizenz-Schrankengesetz (§ 4j EStG).  Nächste Änderungen sind aufgrund des Wahljahres in Deutschland eher für 2018 zu erwarten und werden maßgeblich vom Einvernehmen der Koalitionspartner der neuen Regierung abhängen, so dass Details hierzu aktuell noch unklar sind. 

Jahressteuergesetz 2018 - Japan

In Japan werden einzelne Steuergesetze und Änderungsvorschläge traditionell gebündelt und regelmäßig im Zeitraum zwischen Januar und März beraten und auch verabschiedet. Dies bedeutet umgekehrt, dass bis etwa Dezember Änderungsvorschläge gesammelt werden, so dass noch nicht gänzlich absehbar ist, welche Steueränderungen über die BEPS-Aktionspunkte hinaus in Japan relevant werden können. Da es aber Stand Anfang September 2017 einige konkrete Vorschläge gibt, die öffentlich (z. B. auf der Webseite des Ministry of Finance) diskutiert werden, kann Folgendes bereits zusammengefasst werden: 

  • Für Unternehmen, die sich umstrukturieren müssen, um in ihren Geschäftsfeldern wettbewerbsfähig zu bleiben, soll es Steuererleichterungen geben, u. a. sollen „Sanierungsgewinne“ nicht besteuert werden
  • Weitere Steuererleichterungen, z. B. hinsichtlich vereinfachter / verkürzter Abschreibung und Absetzung für KMU (kleine und mittelgroße Unternehmen)
  • Zum April 2018 sinkt die Körperschaftsteuer von aktuell 23.4 % auf dann 23.2 %. 

Der Umsatzsteuersatz wird von derzeit 8 % auf 10 % ab Oktober 2019 angehoben. Hinzu kommen Änderungen zur Umsetzung der diversen vorstehend genannten BEPS Aktionspunkte, die es umzusetzen gilt (wie Änderungen der CFC Regeln, etc.). 

Ausblick

Im Rahmen der BEPS-Konsequenzen sowohl bei deutschen Unternehmen als auch bei japanischen Konzernen gilt es die gesamten europaweiten und auch globalen Wertschöpfungsketten zu analysieren. 

Auch die EU hat reagiert und mit der Anti-Tax-Avoidance-Directive („ATAD“) teilweise über BEPS hinausgehende bzw. zusätzliche Regeln für die EU-Mitgliedsstaaten gebracht. Insbesondere zu nennen wäre die sogenannte Wegzugsbesteuerung, die vom BEPS-Katalog (noch) nicht erfasst ist. Internationale Konzerne versuchen möglicherweise als Reaktion auf BEPS, ihre Steuerschuld einfach dadurch zu verringern, dass sie ihren Steuersitz und / oder ihre Vermögenswerte in ein Niedrigsteuergebiet (ggf. außerhalb der OECD-Mitgliedsländer) verlegen. Die Wegzugsbesteuerung soll eine Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage im bisherigen Sitzland verhindern, wenn Vermögenswerte, die noch nicht realisierte Gewinne enthalten, aus diesem Land innerhalb eines Konzerns ins Ausland abgezogen werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 31. Dezember 2018 Zeit, die ATAD Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, wobei für die Vorschriften zur Wegzugsbesteuerung die Frist zum 31. Dezember 2019 endet. Mitgliedstaaten, in denen bereits spezielle Vorschriften gelten, die ebenso wirksam sind, können diese so lange anwenden, bis die OECD eine Einigung über einen Mindeststandard erzielt hat, längstens bis zum 1. Januar 2024. Da einige bedeutende Entwicklungs- bzw. Schwellenländer nicht OECD-Mitglied sind, steht die OECD auch in Gesprächen mit der UNO, dem IWF und der Weltbank, um besonders wichtige BEPS-Aktionspläne auch jenseits der OECD-Mitgliedsstaaten zu implementieren und dadurch zu vermeiden, dass etwaige Abwanderungen von Konzernen in Nicht-OECD-Mitgliedsländer die Aktionspläne ad absurdum führen.  

Insgesamt steht zu erwarten, dass BEPS & Co (also auch ATAD) die internationalen Konzerne noch auf lange Sicht beschäftigen werden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion im Zusammenhang mit den „Paradise Papers“.

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Jörg Grünenberger, Partner Tax, Head of the Global Japanese Practice in Germany
jgruenenberger@kpmg.com

Jan Schneemann, Senior Manager, Global Japanese Practice Team in Germany
jschneemann@kpmg.com

KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
www.kpmg.de

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