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Konsensorientierte Konfliktlösung durch Mediation

Christian von Baumbach, Mediator

Dieser Artikel erschien ursprünglich in den DJW News 2/2017.

Fr 31.03.2017, 11:00 Uhr

Konflikte sind unbeliebt. Wer möchte sie nicht vermeiden oder möglichst schnell beenden? Leider ist das nicht so einfach, denn sie sind ein natürliches Resultat unterschiedlicher Interessen, Bedürfnisse und Wertvorstellungen. Insbesondere bei Veränderungsprozessen (etwa bei Familienzuwachs, Trennungen, Teamerweiterungen oder Unternehmensfusionen) und in heterogenen Kontexten (bspw. in internationalen Zusammenhängen oder bei interkulturellen Begegnungen) können verstärkt Konflikte auftreten. Die Frage ist nicht, ob wir in Streitigkeiten verwickelt werden, sondern, wie wir mit ihnen umgehen.

Im Allgemeinen gibt es folgende Möglichkeiten, auf einen Konflikt zu reagieren:

  • Ignorieren. Wir tun so, als hätten wir nichts bemerkt oder als gäbe es kein Problem. Eine Zeit lang kann das gut gehen, aber oft schwelt der Konflikt weiter und bricht später umso heftiger aus.
  • Flucht. Anstatt uns dem Konflikt zu stellen, weichen wir ihm aus. Dadurch bleibt die Ursache ungeklärt und der Kontakt zwischen den Betroffenen reißt ab.
  • Unterwerfung. Wir lassen uns uneingeschränkt auf fremde Forderungen ein. Dadurch lässt sich der Konflikt unter Umständen schnell befrieden, aber zu einem hohen Preis.
  • Kampf. Wir wehren uns gegen ungerechtfertigte Forderungen und setzen uns aggressiv durch. Dabei kommt es unweigerlich zu Verletzungen, oft auf beiden Seiten. Schnell geraten die ursprünglichen Anliegen in den Hintergrund und es geht nur noch um den Sieg.
  • Verhandlung. Wir erörtern den Sachverhalt und versuchen, einen Interessenausgleich zu erzielen. Im Idealfall werden dadurch Lösungen gefunden, die beide Seiten zufriedenstellen. Leider führt die Konfliktdynamik oft dazu, dass Verhandlungen in eine Form von Kampf umschlagen.

Kämpfe und Verhandlungen können entweder selbst ausgetragen oder an Dritte delegiert werden, zum Beispiel an Anwälte und Gerichte. Es liegt nahe, die eigenen Interessen von Profis vertreten und von einer offiziellen Instanz entscheiden zu lassen, aber das bedeutet immer auch einen Kontrollverlust. Zudem klären Gerichte nur innerhalb eines strengen Rahmens, wer laut Gesetz im Recht ist, was nicht immer mit dem Gerechtigkeitsempfinden der involvierten Parteien harmoniert. Persönliche Befindlichkeiten und kreative Lösungen haben im Gerichtssaal kaum Platz.

Konsensorientierte Konfliktlösungsverfahren bieten einen Mittelweg, der professionelle Hilfe mit Eigenverantwortlichkeit kombiniert.

Das Chōtei-Verfahren

Japan blickt auf eine lange Tradition außergerichtlicher Konfliktlösungen zurück und verfügt heute über ein differenziertes System unterschiedlicher Verfahren, die im Gesetz zur Förderung alternativer Konfliktbeilegung (裁判外紛争解決手続の利用の促進に関する法律, Saibangai funsō kaiketsu tetsuzuki no riyō no sokushin ni kansuru hōritsu; Act on Promotion of Use of Alternative Dispute Resolution) geregelt sind. Chōtei (調停), das am häufigsten angewendete Verfahren, ist an die Gerichte angegliedert und wird von einem Schiedskomitee durchgeführt, das aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besteht. Den Vorsitz übernimmt meist ein Richter, den Beisitz auch Laien, die über ausreichend Lebenserfahrung und gesellschaftliches Ansehen verfügen. Durchschnittlich wird für ein Drittel aller registrierten zivilrechtlichen Konflikte ein Chōtei-Verfahren eingeleitet. Etwa die Hälfte davon wird erfolgreich, d. h. mit einer einvernehmlichen Einigung, abgeschlossen. Weitere Verfahren, auf die hier nicht näher eingegangen wird, sind Assen (斡旋), Chūsai (仲裁), Jidan (示談) und Wakai (和解).

Das Mediationsverfahren

In Deutschland sind außergerichtliche Konfliktlösungen weniger verbreitet als in Japan, aber Schlichtungs- und Mediationsverfahren gewinnen zunehmend Beachtung. Mediation ist ein noch relativ neues und unbekanntes Verfahren, das erst im Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 geregelt wurde.

Bei einer Mediation versuchen die Konfliktparteien, unter der Leitung eines neutralen Vermittlers eigenverantwortlich Lösungen zu finden. Der Mediator oder die Mediatorin bietet einen sicheren Gesprächsrahmen und ist für den Prozess verantwortlich, trifft aber keine Entscheidungen. Die Konfliktparteien selbst bestimmen den Inhalt und bleiben frei in ihren Entscheidungen. Das ermöglicht eine Begegnung auf Augenhöhe und begünstigt einvernehmliche Lösungen.

Die Vorteile einer Mediation liegen darin, dass sie …

  • unbürokratisch und verhältnismäßig schnell durchgeführt werden kann.
  • persönliche Bedürfnisse und Rechtsempfinden berücksichtigt.
  • bestmögliche Lösungen für alle Beteiligten ermöglicht.
  • einvernehmliche Lösungen erleichtert.
  • persönliche Beziehungen stärkt und zukünftige Kooperation fördert.

Der Ablauf einer Mediation folgt einer festen Struktur:

  • Der Konflikt wird geschildert und unterschiedliche Sichtweisen kommen zur Sprache.
  • Themen werden benannt, die in der Mediation geklärt werden sollen.
  • Die Bedürfnisse aller Beteiligten werden geklärt.
  • Auf Basis der Bedürfnisse werden Lösungsvorschläge erarbeitet.
  • Die Konfliktparteien entscheiden sich, ob und welche der Lösungsvorschläge in die Tat umgesetzt werden sollen.
  • Am Ende der Mediation werden konkrete Absprachen in einer schriftlichen Abschlussvereinbarung festgehalten.

 Die Konfliktparteien sollen in die Lage versetzt werden, ihre Situation zu verstehen, ihre Standpunkte selbstbewusst zu vertreten und letztendlich die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.

Mediation hat sich überall dort bewährt, wo Konflikte zwischen Menschen auftreten, die beruflich oder privat aufeinander angewiesen sind oder ihre Beziehung zum beidseitigen Vorteil verbessern wollen. Konflikte innerhalb von Teams lassen sich ebenso bearbeiten, wie Unstimmigkeiten zwischen Geschäftspartnern oder Streitigkeiten zwischen Freunden und Familienangehörigen.

Ein Spezialgebiet der Familienmediation sind internationale Familienkonflikte, die auch zwischen Japan und Deutschland auftreten. Japan ist am 1. April 2014 dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) beigetreten. Das internationale Abkommen regelt Fälle, in denen minderjährige Kinder widerrechtlich von einem Elternteil ins Ausland verbracht oder dort zurückgehalten werden. In einem solchen Fall kann bei der zentralen Behörde des Vertragsstaates eine Rückführung des Kindes in seine gewohnte Umgebung beantragt werden. Ehe ein Gericht über die Rückführung entscheidet, erhalten die Eltern Gelegenheit, ihre Streitigkeiten gütlich und im besten Interesse des Kindes beizulegen, wobei sie auf Wunsch durch eine Mediation unterstützt werden. Die mit diesen Fällen betrauten Mediatoren sind auf bi-nationale Mediationen spezialisiert und vertreten idealerweise beide Kulturen, Sprachen und Geschlechter der Eltern.

Mediation bietet Gelegenheit, unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und Wertvorstellungen zu verstehen und bei der Lösungsfindung zu berücksichtigen. Gerade zwischen Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen wie Japan und Deutschland stammen, bietet das unschätzbare Vorteile.

Allgemeine Informationen zur Mediation bieten u. a.:

Informationen und Beratung zu internationalen Familienkonflikten bieten u. a.:

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christian@von-baumbach.de
http://von-baumbach.de
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