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"Frischer Wind in der Unternehmenslandschaft"

Dr. Julia Münch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, DJW, Goya Kobayashi, Stellvertretender Direktor im Japanischen Finanzministerium, und Tim Miksche, Startup Mentor,transferNET

Der Artikel erschien ursprünglich in der Ausgabe 11/2018 der Asia Bridge.

2018-11-08, 12:39

Das Investitionsklima in Japan ist im internationalen Vergleich eher konservativ. Start-ups können aber von der Zusammenarbeit mit Großunternehmen profitieren – nicht nur in Bezug auf Kapital, sondern auch durch deren Netzwerke. Starthilfe bieten zudem verschiedene Inkubatoren.

In keinem anderen Industrieland gibt es mehr Traditionsunternehmen als in Japan. In diesen geht es bekanntlich eher bedachtsam vonstatten. Die stark hierarchisch organisierten Firmen suchen in zeitintensiven Prozessen Konsens, bevor Entscheidungen getroffen, danach aber schnell in die Tat umgesetzt werden. Scheitern steht für Gesichtsverlust; für Risikofreude ist Japan nicht berühmt. 

Der Prozentsatz angehender Unternehmer oder geschäftsführender Eigentümer neuer Unternehmen lag noch vor wenigen Jahren bei lediglich 3,8% (zum Vergleich die USA: 12,7%). Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen für Start-ups steht Japan im weltweiten Ranking laut StartupBlink Report (2017) nur an 20. Stelle (1.: USA, 2.: Großbritannien, 3.: Kanada, 4.: Israel, 5.: Deutschland).

Globaler Wettbewerb führt zum Umdenken

Aber die traditionellen Beschäftigungsprinzipien bröckeln. Der schrumpfende Inlandsmarkt sowie Produktionsverlagerungen ins Ausland tragen unter anderem dazu bei, dass eine lebenslange Beschäftigung (shûshin koyô) sowie automatische Beförderungen (nenko joretsu) selbst von großen Unternehmen nicht mehr bedingungslos gewährleistet werden können. Der globale Wettbewerb in Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel hat auf vielen Ebenen zu einem Umdenken geführt: Start-ups versprechen, verkrustete Strukturen zu durchbrechen und nötige Innovationen abseits der üblichen Pfade voranzutreiben. Das Stigma des Scheiterns verliert offenbar langsam an Bedeutung und macht Gründungen attraktiver für jüngere Generationen. Selbst Absolventen der japanischen Elite-Universitäten interessieren sich heutzutage mehr und mehr für Unternehmertum. Als eines der größten Vorbilder gilt Hiroshi Mikitani, der die Bankenbranche verließ, um einen der erfolgreichsten Online-Marktplätze, Rakuten, zu gründen.

So entsteht in Japan derzeit mit hoher Geschwindigkeit eine international noch weitgehend unbeachtete, aber lebhafte lokale Start-up-Szene. Als Höhepunkt der Neugründungen gilt das Jahr 2012 – vermutlich als Reaktion auf die 2008 einsetzende Finanzkrise und den wirtschaftlichen Einbruch in Folge der Dreifachkatastrophe von 2011. Gleichzeitig war plötzlich günstiger Cloud Space verfügbar. 

Derzeit sind laut dem japanischen Wirtschaftsministerium METI etwa 10.000 Start-ups auf dem japanischen Markt aktiv. Schlüsselsektoren sind die Bereiche Software und Internet of Things, Fintech, aber auch Healthcare und Robotics. Zentrales Start-up-Ökosystem ist Tokyo. Hier gibt es Zugriff auf die meisten Förderprogramme, Coworking Spaces und Wagniskapital. Auch Osaka, Kyoto und Fukuoka bieten eine sehr interessante Start-up-Landschaft mit guter Infrastruktur und hervorragenden Networking-Möglichkeiten.

Kapital über „Big Players“

Das Investitionsklima ist in Japan generell eher konservativ. Klassisches Risikokapital ist zwar vorhanden (etwa 2 Bill. USDollar in ganz Japan gegenüber 64 Bill. US-Dollar Wagniskapital allein im Silicon Valley), aber für unerfahrene Jungunternehmen ohne Erfolgsbilanz oder Geschäftsbericht in der Startphase nur schwer zu erreichen. Die Finanzierung erfolgt tendenziell über Corporate Venture Capital oder Angel-Investoren. Doch deren Anzahl ist noch gering. Die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Großunternehmen ist daher so eng wie nie. Neben Kapital bietet die Kooperation mit „Big Players“ den Start-ups Reputation und Zugriff auf deren Kundennetzwerke. Die jungen Unternehmen sind sehr viel agiler als ihre etablierten Mitbewerber und versprechen schnelles Wachstum, Risikobereitschaft und Innovationen – damit eignen sie sich zur Erprobung neuer Technologien. In der letzten Zeit gibt es daher mehr und mehr Corporate Matchmaking Events, zum Beispiel in Form von Pitch Contests. Auch die großen Management-Beratungsfirmen sind inzwischen in das lukrative Geschäft der „Partnervermittlung“ eingestiegen.

Zudem sind Ausgründungen aus Universitäten nicht selten. Oft gibt es Kooperationen zwischen Gründungszentren und Universitäten, wie die „Keiô Innovation Initiative“, eine Partnerschaft zwischen der Keiô-Universität und der Investment Bank Nomura Holdings. Zum anderen gibt es Inkubatoren, die in der Anfangsphase (Samurai Incubate, Skyland Ventures, ANRI), aber auch in der Wachstumsphase (Nippon Venture Capital, Sumitomo Mitsui Banking Corporation Venture Capital, JAFCO, Globis Capital Partners, Infinity Venture Partners, Mitsubishi UFG Capital) Kapital bieten. Gleichzeitig steigt die Zahl ausländischer Accelerators und privater Förderinitiativen an. Als Exit-Strategie wählen viele Start-ups in Japan den Börsengang (IPO). Dank des direkt an Start-ups gerichteten Aktienmarkts „Mothers“ („Market of the high-growth and emerging stocks“) können, anders als in den USA oder China, auch kleine Unternehmen ihr Geschäft verkaufen.

Internationalisierung der Start-up-Szene

Was nun noch aussteht, ist der Brückenschlag zur internationalen Gemeinschaft. Eine große Herausforderung besteht noch immer vor allem in der Sprachbarriere. Dies gilt insbesondere für die Englischkenntnisse der japanischen Gründer. Aus diesem Grund investiert der Staat massiv in die Internationalisierung seiner Start-up-Szene. Im Rahmen einer sogenannten „J-Startup-Initiative“ werden 100 Start-ups ganz besonders gefördert. Die Regierung bietet Unterstützung für die Teilnahme an globalen Konferenzen in Form eines „J-Startup Pavillion“ auf Events wie SLUSH, SXSW, CES, CEBIT, Tech in Asia, GITEX FUTURE STARS, Web Summit Viva Tech. Die Außenhandelsorganisation JETRO betreut „Global Acceleration Hubs“ in ausländischen Start-up-Hotspots. Sie versorgen die Gründer mit Informationen, einem Mentoren-Service und Netzwerk-Gelegenheiten vor Ort. Um Japan für ausländische Start-ups attraktiver zu machen, erlaubt ein neues Start-up-Visum ab 2019 Gründern schon in der Vorbereitungsphase einjährige Aufenthalte – ohne Mindestanforderungen an die Kapitalausstattung oder andere Voraussetzungen. Die Kapitalgrenze zur Gründung von Kapitalgesellschaften wurde bereits auf 1 Yen zurückgesetzt, um Firmengründungen zu erleichtern. Weiterhin stellt die Regierung auf Spezialbranchen spezialisierte Standorte („National Strategic Special Zones“) bereit, in denen strenge gesetzliche Vorschriften gemildert werden, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Interessant ist auch, dass eigens ausgewählte Kontaktpersonen („J-Startup Supporters“) in Großunternehmen die Kontaktaufnahme von Start-ups mit potenziellen Investoren erleichtern sollen. Außerdem werden gezielt der Einsatz neuer Lehrmethoden und eine Ausbildung zur unternehmerischen Kompetenz forciert. Dies alles sorgt für frischen Wind.

Die global aufgestellten japanischen Konzerne lernen schnell im Umgang mit der für sie noch fremden, aber faszinierenden Start-up-Kultur. Somit wird Japan zunehmend auch für ausländische Start-ups als Zielmarkt interessant. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen deutschen und japanischen Unternehmen liegt nahe, denn beide Länder bieten hochentwickelte Technologien, gut ausgebildete Manpower, eine hervorragende Infrastruktur, ausgeprägte Rechtsstruktur und finanzielle Mittel. So ist es erfreulich, dass der Bundesverband Deutscher Startups e.V. in Berlin für 2019 eine Japan-Woche plant, um in Deutschland über das japanische Start-up-Ökosystem zu informieren. 

Der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) macht gezielt auf die Chancen deutsch-japanischer Start-up-Kooperationen aufmerksam. Unter anderem organisiert er die „Germany-Japan Startups Platform“ (GJSP), die von DJWMitgliedern ins Leben gerufen wurde. Diesen Sommer fand zum zweiten Mal ein digitales Symposium statt, in dessen Rahmen Unternehmer und Investoren, Medienvertreter und Interessierte simultan zu einer Konferenz in Tokyo, Berlin und Nordrhein-Westfalen zusammenkamen und sich unter Nutzung modernster Technologien per Videokonferenz miteinander in Verbindung setzten. 

Wenngleich interessierten Start-ups aus Deutschland zwar die klassischen Anlaufstellen für den Markteintritt zur Verfügung stehen – beispielsweise die IHKs oder die Wirtschaftsförderungsgesellschaften der Städte, Länder und des Bundes –, wird weiterhin vor allem auch operative Unterstützung im Hinblick auf die aktive Geschäftsentwicklung benötigt. Denn die eigentliche Herausforderung beginnt oft dann, wenn flache Hierarchien und schneller Entscheidungsbedarf auf die traditionelle japanische Industriekultur treffen.  

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© Petri Anttila © Petri Anttila
Dr. Julia Münch
Director, Japanese-German Business Association (DJW)
info@djw.de
http://www.djw.de

Co-Autoren 
Goya Kobayashi
Stellvertretender Direktor im Japanischen Finanzministerium
Special Advisor, DJW

Tim Miksche
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