Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender
Demografischer Wandel als Chance
Mit den diesjährigen DJW-Symposien in Nürnberg und Tokio wollen wir den demografischen Wandel als Chance für neue Geschäftsmodelle, Innovationen und Technologien beleuchten – ein wichtiges Thema gerade für Länder wie Japan und Deutschland mit ihrer zunehmend ungünstigen Altersstruktur ihrer Bevölkerung. Der demografische Wandel verläuft zwar nur sehr langsam, die Auswirkungen sind jedoch immens – zumal wenn man bedenkt, dass unter anderem der langfristige Wachstumstrend einer Volkswirtschaft vom Bevölkerungs- und Produktivitätswachstum bestimmt wird. Seit 1991 wuchs die deutsche Wirtschaft beispielsweise um durchschnittlich 1,4 % pro Jahr, wobei das Bevölkerungswachstum durchschnittlich mit 0,1 %-Punkten pro Jahr zum Wirtschaftswachstum beitrug, das Produktivitätswachstum hingegen mit 1,3 %-Punkten. In den kommenden Jahren wird der Beitrag des Bevölkerungswachstums aufgrund der Alterung der Gesellschaft zunehmend ins Minus rutschen. Die Experten der Internationalen Arbeitsorganisation prognostizieren einen Rückgang der Erwerbsbevölkerung in Deutschland von durchschnittlich etwa 0,4 % pro Jahr in den kommenden zehn Jahren. Bei einem gleichbleibenden Produktivitätswachstum von 1,3 % pro Jahr würde somit der Wachstumstrend der deutschen Volkswirtschaft auf nur noch 0,9 % sinken. Es gibt die Theorie, dass infolge einer alternden Gesellschaft auch das Produktivitätswachstum nachlassen könne, da eine ältere Bevölkerung die Risiken neuer Technologien höher gewichtet als deren Chancen.
Glücklicherweise zeigen die Daten ein anderes Bild. So ermittelten Experten für die Länder, in denen die ältere Bevölkerung in Relation zur jüngeren zunimmt, dass sich das Produktivitätswachstum zwischen 1990 und 2015 sogar beschleunigte. Eine plausible Erklärung dafür ist, dass sich die Unternehmen dazu gezwungen sahen, die fehlenden jungen Arbeitskräfte durch Roboter und andere Technologien zu ersetzen. So lässt sich zeigen, dass in Ländern mit einer stark alternden Bevölkerung der Einsatz von Robotern deutlich gestiegen ist.
Darüber hinaus werden wir auf den DJW-Symposien in Nürnberg und Tokio auch die Frage diskutieren, wie kleine und mittlere Unternehmen besonders von den Trends der „digitalen Revolution“ und Elementen der „neuen Arbeit“ profitieren. Dafür wäre allerdings auch ein positives Investitionsklima maßgeblich. Die neue digitale Welt stellt nämlich hohe Anforderungen an die Finanzierung und an staatliche Unterstützung. Viele Investitionen in neue Technologien sind so unternehmensspezifisch, dass sie sich nicht als Sicherheit für Kredite hinterlegen lassen. Die Eigenkapitalfinanzierung muss daher eine deutlich größere Rolle spielen als bisher – vielleicht auch mit Unterstützung von staatlicher Seite. Darüber hinaus sind eine moderne Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeitskräfte eine notwendige Voraussetzung für hohes Produktivitätswachstum. Auch zeigen Studien, dass ein hohes Niveau an staatlich finanzierter Grundlagenforschung ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein kann.
Insgesamt bieten die neuen Technologien die Möglichkeit, die belastenden Folgen des demografischen Wandels in eine Chance für die japanische und deutsche Gesellschaft umzuwandeln. Und hierzu wollen wir mit unseren Veranstaltungen auch einen kleinen Beitrag leisten.