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Kolumne (November 2020)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Bedeutung des neuen US-Präsidenten für Deutschland und Japan

Do 12.11.2020, 17:46 Uhr

Was bedeutet der neue US-Präsident für Deutschland und Japan? Joe Biden kündigte schon im Wahlkampf an, dass er wieder enger und konstruktiver mit den traditionellen Verbündeten zusammenarbeiten will. Die Gefahr eines global eskalierenden Handelskriegs scheint somit nicht mehr zu bestehen. Der neue US-Präsident wird jedoch die US-amerikanischen Interesse ähnlich konsequent vertreten wie sein Vorgänger Donald Trump. Denn die USA scheinen in den vergangenen Jahren einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Protektionismus und Isolationismus vollzogen zu haben. Bei Donald Trump hieß es „America First“, bei Joe Biden „Made in All of America“. Der Handels-, Technologie- und geopolitische Konflikt zwischen China und den USA könnte sich unter einem Präsident Biden sogar noch verschärfen, da Menschenrechtsfragen unter einer von US-Demokraten geführten Regierung einen größeren Stellenwert haben dürften. Europäische und japanische Unternehmen könnten sich somit in Zukunft immer öfter in einer Position zwischen zwei Stühlen befinden.

Eine Regierung unter Joe Biden dürfte zwar eine Reform der weitgehend lahmgelegten Welthandelsorganisation anstoßen und ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union anstreben – dabei aber weitreichende Zugeständnisse fordern. Die EU ist dabei nicht in der Position, die geforderten Zugeständnisse abzulehnen. Denn die Alternative wäre ein möglicherweise bedrohlicher Handelskrieg – spätestens unter dem nächsten republikanischen Präsidenten. Zugeständnisse in einem konstruktiven Verhandlungsprozess wären dagegen sicherlich für die EU verkraftbar.

Die mittelfristigen Herausforderungen für Japan und die EU – und damit auch für Deutschland – sind somit, die Binnennachfrage zu stärken, um unabhängiger vom Export zu werden, und zudem die eigene Verteidigung auszubauen. Japan kam in den vergangenen vier Jahren zugute, dass der bis September regierende Premierminister Shinzo Abe es von Anfang an geschafft hatte, ein enges Verhältnis zu Donald Trump aufzubauen. Somit war Japan weit weniger Zielscheibe von Trumps protektionistischen Drohgebärden als Deutschland.

Trotzdem ist es für die beiden Exportnationen Deutschland und Japan dringlicher denn je, noch stärker bilateral zusammenzuarbeiten und mit anderen, ebenfalls auf Freihandel setzenden Nationen wie Kanada ein Gegengewicht zu den beiden beherrschenden Macht- und Wirtschaftsblöcken China und USA zu bilden. Deutschland und Japan sollten also die Zeit nutzen, um sich auf ein herausfordernderes globales Umfeld vorzubereiten.

Gerhard Wiesheu
Vorstandssprecher, B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG 
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
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