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Starkes Signal durch EU-Japan-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) und Chancen für deutsche Unternehmen

Masayoshi Watanabe, Generaldirektor der JETRO Düsseldorf und Vorstandsmitglied des DJW

Das Abkommen begründet eine neue Ära der Partnerschaft zwischen der EU und Japan

Mo 05.02.2018, 09:25 Uhr

Aus politischer und wirtschaftlicher Sicht war 2017 ein turbulentes Jahr: Brexit, Trumps Präsidentschaft und sein Slogan „America First“, das unerwartet gute Abschneiden von Marine Le Pen bei der französischen Parlamentswahl, die schwierige Regierungsbildung nach der Bundestagswahl in Deutschland usw. Es ist schwer vorherzusagen, wie lange die Nachwirkungen dieser Ereignisse noch spürbar sein werden. Allen politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen zum Trotz haben die japanischen Unternehmen in Deutschland ihre Präsenz weiter ausgebaut. 2016 stieg laut einer Umfrage des japanischen Außenministeriums die Zahl der japanischen Unternehmen in Deutschland auf 1.800. Dies entspricht einer Steigerung um den Faktor 1,5 in den letzten zehn Jahren. Die Summe der Direktinvestitionen verdoppelte sich in dieser Zeit auf 1,95 Milliarden Euro.

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA)

Eine weitere positive Entwicklung ist das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zwischen der EU und Japan. Nachdem bereits im Juli 2017 eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden war, konnten die EU und Japan mit dem zügigen Abschluß der Verhandlungen im Dezember ein starkes Signal setzen. Während man sich auf die Beseitigung von Importzöllen und regulierungsbedingten Hindernissen bereits verständigt hat, wird die Frage der Schlichtung von Investitionsstreitigkeiten getrennt davon noch weiter verhandelt. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan bildet eine riesige Wirtschaftszone mit 640 Millionen Menschen und ungefähr 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Der Anteil am globalen Handelsvolumen beläuft sich auf etwa 40 Prozent. Die Vertragstexte sind nun in Vorbereitung. Nach der geplanten Unterzeichnung der Verträge im Sommer 2018 soll das Abkommen 2019 in Kraft treten.

Zentrale Elemente des Abkommens

Dies sind die zentralen Elemente des Abkommens: Im Zollbereich wurde ein hohes Maß an Liberalisierung erreicht. Auf japanischer Seite betrifft dies rund 94 Prozent der landwirtschaftlichen Produkte und Industrieerzeugnisse. Bei der EU beläuft sich dieser Wert auf etwa 99 Prozent. Das Abkommen beinhaltet selbst komplexe Themen wie Ursprungsregeln, Zoll- und Handelserleichterungen, Handel mit Dienstleistungen, Liberalisierung von Investitionen, elektronischer Handel, Schutz geistigen Eigentums und Unternehmensführung. In den Verhandlungen hat Japan immer wieder deutlich gemacht, welche große Bedeutung die Abschaffung von Zöllen auf Industrieerzeugnisse wie Kraftfahrzeuge und Elektro- und Elektronikgeräte für Japan hat. Der Anteil der Exporte von Kraftfahrzeugen aus Japan in die EU am gesamten japanischen Export beläuft sich auf 11,1 Prozent, während er für Fahrzeugteile bei 13,5 Prozent liegt. Neben der Automobilbranche ruhte ein weiteres Hauptaugenmerk auf den chemischen Erzeugnissen, deren Anteil der Exporte aus Japan in die EU am gesamten japanischen Export 11,3 Prozent beträgt. Bei Ende der Verhandlungen hatten sich die beiden Seiten auf eine 100prozentige Abschaffung der Zölle bei Industrieerzeugnissen geeinigt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens wird die Steuerbefreiung von 38,5 Prozent auf 81,7 Prozent steigen. Acht Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens sollen die Zölle für Kraftfahrzeuge komplett abgeschafft werden. Bei Fahrzeugteilen hat man sich darauf geeinigt, 92,1 Prozent auf Basis des Handelswertes zu streichen. Eine sofortige Abschaffung der Zölle konnte für 91,2 Prozent der Elektro- und Elektronikgeräte und für 88,4 Prozent der chemischen Erzeugnisse erzielt werden. Der hohe Zolltarif von bis zu 14 Prozent auf Farbfernsehgeräte soll sechs Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens abgeschafft werden.

Eine neue Ära der Partnerschaft

Auf der anderen Seite hat für die EU die Abschaffung der Zölle auf landwirtschaftliche Produkte sowie eine Lockerung der Bestimmungen für Kraftfahrzeuge und Elektro- und Elektronikgeräte eine entscheidende Rolle gespielt. Der Anteil der Exporte von Lebensmitteln aus der EU nach Japan am EU-Gesamtexport beläuft sich auf 13,3 Prozent. Davon entfallen 36,4 Prozent auf Schweinefleisch und 72,9 Prozent auf Wein. Bei chemischen Erzeugnissen liegt der Anteil der EU-Exporte nach Japan am gesamten EU-Export bei 38,7 Prozent. Während bei Reis eine Senkung bzw. Abschaffung der Zölle von den Verhandlungen ausgenommen wurde, konnte man sich bei Weichkäse auf ein Zollkontingent einigen. So gilt für verschiedene Käsesorten wie Frischkäse oder Schmelzkäse eine Begrenzung der Einfuhrmenge, um nachteilige Auswirkungen auf die heimische Käseproduktion in Japan auszuschließen. Konkret werden dies im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens 20.000 Tonnen und 31.000 Tonnen sechszehn Jahre danach sein. Für Wein werden die Zölle sofort abgeschafft. Das bedeutet, daß die Japaner in Zukunft edle deutsche und französische Weine preiswerter als je zuvor in Japan kaufen können. Auch für Industrieerzeugnisse werden die Zölle abgeschafft. Die Steuerbefreiung erhöht sich von 77,3 Prozent auf 96,2 Prozent. Während die Zölle für chemische Erzeugnisse, Textilien und Textilerzeugnisse mit sofortiger Wirkung abgeschafft werden, ist vorgesehen, daß die Zollsätze auf Leder und Schuhe von bis zu 30 Prozent erst im elften bzw. sechszehnten Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens wegfallen sollen.

Der japanische Premierminister Shinzo Abe sagte über das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU, es werde damit eine Wirtschaftszone basierend auf freien und fairen Regeln geschaffen. Es begründe eine neue Ära der Partnerschaft zwischen der EU und Japan. Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker hob ebenfalls seine strategische Bedeutung hervor. Es gibt keinen Zweifel daran, daß es das Wirtschaftswachstum beider Partner beflügeln wird.

Investitionen in Japan

Nun möchte ich näher auf das Thema Investitionen in Japan, die für die Wachstumsstrategie der japanischen Regierung von ganz zentraler Bedeutung sind, eingehen. Ende 2016 beliefen sich die ausländischen Direktinvestitionen in Japan auf eine Summe von 210 Milliarden Euro. Zur weiteren Ankurbelung der Wirtschaft plant die japanische Regierung eine weitere Steigerung auf 260 Milliarden Euro bis 2020. Natürlich kommt dem Partnerland Deutschland dabei eine besondere Bedeutung zu. 2016 betrugen die deutschen Direktinvestitionen in Japan 0,3 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren haben deutsche Unternehmen bereits Direktinvestitionen von insgesamt mehr als 6,1 Milliarden Euro in Japan getätigt. Besonders stark investieren die deutschen Unternehmen in den Branchen Automobil, Maschinenbau, Elektrotechnik und IT. Damit liegt Deutschland auf Rang 10 der Investorenländer. Laut einer Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan unter den deutschen Unternehmen in Japan erwirtschaften 86 Prozent von ihnen einen Vorsteuergewinn. 87 Prozent der in Japan aktiven deutschen Unternehmen schätzen Japan als attraktiven Absatzmarkt. Allerdings machen die deutschen Direktinvestitionen in Japan derzeit nur 3,1 Prozent aller in Japan getätigten ausländischen Direktinvestitionen aus. Damit liegt Deutschland noch hinter Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden.

Japan als hochprofitabler Markt für ausländische Unternehmen

Kommen wir nun zur Attraktivität des Standorts Japan für ausländische Unternehmen. Anfang der Neunziger Jahre platzte die sogenannte „Bubble Economy“. Es folgte eine Zeit der wirtschaftlichen Stagnation und Nullwachstum, die als die „zwei verlorenen Jahrzehnte“ in die Geschichte Japans einging. Im Jahr 2012 verkündete der japanische Premierminister Shinzo Abe die nach ihm benannten „Abenomics“, die eine Lockerung der Geldpolitik, eine expansive Fiskalpolitik und eine langfristige Wachstumsstrategie vorsahen. Die ersten Erfolge der „Abenomics“ sind inzwischen bereits deutlich spürbar. Nach 26 Jahren steigen die japanischen Aktienkurse wieder kräftig an. OECD-Statistiken zufolge beträgt die Kapitalrendite ausländischer Unternehmen in Japan durchschnittlich 10 Prozent und ist damit die dritthöchste aller OECD-Mitgliedsländer. Hier liegt die Dienstleistungsbranche ganz klar vorn. Man kann mit Sicherheit sagen, daß Japan ein hochprofitabler Markt für ausländische Unternehmen darstellt. Im Zuge ihrer Deregulierungsmaßnahmen hat die japanische Regierung den Körperschaftssteuersatz auf 20 Prozent gesenkt. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, auch für diejenigen Unternehmen, die durch Lohnerhöhungen, Kapitalinvestitionen und den Einsatz innovativer Technologien eine Steigerung ihrer Produktivität anstreben, eine Senkung auf 20 Prozent durchzusetzen.

Zu den besonders lukrativen Branchen gehört in erster Linie die Automobilbranche, deren Inlandsabsatzvolumen und Umsatz in den letzten Jahren unverändert geblieben sind. Inzwischen sind die japanischen Automobilhersteller aber auch schon auf viele ausländische Märkte vorgedrungen und haben ihre Produktion dorthin ausgedehnt. Nichtsdestotrotz bleiben Design und Entwicklung oft weiterhin in Japan angesiedelt. Dieser Umstand ist auch für die ausländischen Automobilunternehmen in Japan von Bedeutung. Bei Fragen, die die Entwicklung betreffen, muß die verantwortliche Person im Kundenunternehmen innerhalb weniger Stunden reagieren. In diesem Fall wäre beispielsweise eine Verzögerung aufgrund des Zeitunterschieds zwischen Japan und Deutschland ein wesentlicher Nachteil. Andererseits steigern die Automobilproduzenten in Japan ihren Marktanteil auf den wichtigsten Märkten der Welt. In den Vereinigten Staaten, wo jährlich 17 Millionen neue Automobile zugelassen werden, beträgt der Marktanteil Japans 38,2 Prozent. Die Zahl der verkauften Einheiten beläuft sich auf 6,66 Millionen. Auch in Indien und im Nahen Osten steigt der Anteil japanischer Fahrzeuge. Toyota und Honda werden sich in Zukunft auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge noch stärker engagieren, so daß sie mit Nissan und Tesla mithalten können. Bei dem Thema Mobilität der Zukunft werden die japanischen Hersteller in Zukunft noch viel präsenter sein. Für Teilehersteller birgt diese Entwicklung ebenfalls neue Chancen. Dies gilt auch für die Hersteller von Industrierobotern und Werkzeugmaschinen. In den vergangenen Jahren haben sich die Kapitalinvestitionen in Japan gut entwickelt. Die Inlandsbestellungen sind im Jahresvergleich ebenfalls um 16,8 Prozent gestiegen, während die Auslandsbestellungen um 39,8 Prozent zugenommen haben. Die Chancen stehen gut, daß die innovativen Technologien, in denen auch die deutschen Unternehmen stark sind, eine besondere Dynamik auf dem japanischen Markt entwickeln.

Industrie 4.0 / Society 5.0

Ein weiterer interessanter Zukunftsbereich wird das Thema „Industrie 4.0“ sein, bei dem die deutschen Unternehmen eine Vorreiterrolle spielen. Auch Japan hat mit seinem Regierungsprogramm „Society 5.0“ einen neuen wissenschaftlichen und technologiepolitischen Ansatz formuliert, um Japans Entwicklung zur „Super Smart Society“ weiter voranzutreiben.

Im April 2016 haben Japan und Deutschland eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Bereich IoT / Industrie 4.0 unterzeichnet. Dahinter steckt die Idee, das Modell „Industrie 4.0“ in das Konzept „Society 5.0“ zu integrieren. In der Praxis gibt es schon die ersten Beispiele für vielversprechende deutsch-japanische Kooperationen. Für Entwicklung und Tests im Bereich Fahrerassistenzsysteme unterhält der Automobilzulieferer Continental ein eigenes Test-Center in Hokkaido. Darüber hinaus beginnt man auch mit Demonstrationsexperimenten auf dem „Metropolitan Expressway“. Der Karten- und Standortinformationsdienstleister Here verfügt über eine hochgenaue Karte für automatisiertes Fahren und kooperiert mit Fujitsu, Zenrin, Pioneer und Mitsubishi Electric. Das Demonstrationsexperiment für das 3D-Simulationssystem der Firma Zenit zur Fernüberwachung von Fabriken wird mit Hilfe von Subventionen der japanischen Regierung durchgeführt.

Dies sind nur einige Beispiele für eine erfolgreiche deutsch-japanische Zusammenarbeit. In Zukunft werden hoffentlich noch viele weitere Kooperationen folgen. Abschließend wünsche ich Ihnen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2018.

 

Masayoshi Watanabe
Generaldirektor, JETRO Düsseldorf
Vorstandsmitglied, Deutsch-Japanischer Wirtschaftskreis (DJW)
info-dus@jetro.go.jp
https://www.jetro.go.jp/germany/
Masayoshi Watanabe
Generaldirektor, JETRO Düsseldorf
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