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Robotik-Trends in Japan und China

Kota Ito und Nobuaki Sugahara, Gründer der Euler International GmbH

Dieser Artikel erschien ursprünglich in den DJW News 4/2017.

Sa 21.10.2017, 10:30 Uhr

Unser Unternehmen hat langjährige Erfahrung in der Automatisierungsbranche in Japan, China, Amerika und Europa. Mit Fokus auf Roboter möchten wir deutsche und japanische Technologie auf den chinesischen Markt bringen.

Bisher kamen Industrieroboter hauptsächlich in der Automobil- und Elektroindustrie (inklusive Mobiltelefone) sowie bei Komponentenherstellern zum Einsatz, wo sie für immer höhere Geschwindigkeit und Präzision in der Massenproduktion entwickelt wurden. Aber vor dem Hintergrund sinkender Bevölkerungszahlen, wirtschaftlichem Wachstum in den Schwellenländern und der fortschreitenden Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz verändert sich die Robotikindustrie:

  1. Infolge des Arbeitskräftemangels in den Industrienationen und dem Anstieg von Personalkosten in den Schwellenländern werden Roboter zunehmend neben ihrem Einsatz bei simpler Fließbandarbeit auch für Arbeiten eingesetzt, die eine gewisse Kunstfertigkeit erfordern.
  2. Da es an Fachleuten für die System-Anwendungs-Architektur fehlt, steigen die Kosten für das Systemdesign.
  3. Die Nachfrage nach Robotern in immer neuen Branchen wie der Speditions- und Lebensmittelbranche wächst.
  4. Es zeigt sich auch ein Trend zum Einsatz von Robotern in der Serviceindustrie.
  5. Die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz verändert das Bild des Roboters, wie wir ihn kennen.

Die genannten Tendenzen verändern die Anforderungen an Roboter und eröffnen gleichzeitig viele Fragen. So ergeben sich beispielsweise im Fall der Industrieroboter folgende sechs Themen:

Kosten der Systemintegration

Abgesehen von den Kosten für Roboter an sich ist die Systemintegration zur Steuerung teuer. Um dieses Problem zu lösen, wird von Firmen wie Mujin (Japan) und Artiminds (Deutschland) intuitive Software entwickelt, bei der Bewegungen der Roboter ohne Verwendung von Quellcodes programmiert werden.

Bilderkennung für gegenständliche Arbeiten

Bisher warfür die Bilderkennung die Abstimmung zwischen Kameras und dem Koordinatensystem von Robotern nötig. In den vergangenen Jahren haben jedoch sowohl Hersteller für Roboter als auch für Bildgeräte selbstständig kalibrierende Software entwickelt. Außerdem werden häufig günstige 3D-Kameras verwendet, um die Koordinaten des Roboters zu steuern.

„Hände“ (Endeffektoren)

Während Menschen mit etwas so Simplem wie Essstäbchen verschiedene Gegenstände bewegen können, brauchen Roboter bislang abhängig von Größe, Form oder Oberflächenbeschaffenheit eines Objekts verschiedene „Hände” (bzw. Endeffektoren). Diese stellen die größte Hürde für die Ausbreitung von Robotern dar. Um die Entwicklungen voranzutreiben veranstaltet z. B. Amazon jedes Jahr die “Amazon Picking Challenge”, einen Roboter-Wettbewerb, an dem Ingenieure aus aller Welt teilnehmen. Da im Bereich der Endeffektoren neben der Hardware die Steuerung über Sensoren eine große Rolle spielt, werden Entwicklungen in der Sensortechnologie wie bspw. mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Sensoren die Weiterentwicklung hier stark vorantreiben.

Zusammenarbeit mit dem Menschen

Bisher stellen Industrieroboter ein sehr großes Risiko für Menschen dar, weshalb Schutzzäune und -gitter notwendig sind. Wenn jedoch zukünftig Roboter in der Logistik- und Lebensmittelbranche eingesetzt werden sollen, müssen Menschen auch in ihrem unmittelbaren Umfeld arbeiten können.

Daher bieten große Roboter-Hersteller und Venture-Unternehmen nun sichere kooperative Modelle („Cobots“) an, z. B. Franka Emika (Deutschland), Life Robotics (Japan) oder Universal Robot (Dänemark). Für die zukünftige Verbreitung sind vor allem die Sicherheit, aber auch Einfachheit der Verfahren zur Programmierung der Roboter und verbesserte Präzision wichtig.

Handhabung weicher Gegenstände

Roboter können weiche Gegenstände nicht gut handhaben. Das liegt daran, dass übliche Endeffektoren wie Absorptions- und Wurf-Vorrichtungen für die Handhabung fester Gegenstände entwickelt wurden. Diese sind folglich für Lebensmittel und Textilwaren ungeeignet und behindern eine Weiterentwicklung der Automatisierung in diesen Bereichen. In letzter Zeit wurden auch für die Handhabung weicher Materialien Endeffektoren entwickelt, beispielsweise von Soft (Robotics Inc., USA).

Autonom-bewegliche Roboter und die relative Position von Objekten

Bisher war es selbstverständlich, dass Roboter fest auf einem bestimmten Platz standen. Durch das Aufkommen der kooperativen Modelle steigen die Erwartungen an Roboter, die sich autonom bewegen können. Hierfür ist eine Bildverarbeitungstechnik nötig, mittels der die Roboter die relative Position von Objekten erkennen. Es ist zu erwarten, dass solche Roboter in mittleren und kleinen Firmen und Lagerhäusern eingesetzt werden, deren Anlage nur schwer verändert werden können. Beispiele für solche Roboter sind IAM Robotics (USA), Nextage (China).

In den letzten Jahren haben nicht nur Industrieroboter zunehmende Verbreitung gefunden, sondern auch in der Service-Industrie kommen mehr und mehr Roboter zum Einsatz. Damit einhergehend werden relevante Themen für die Entwicklung von Service-Robotern immer deutlicher:

Selbstorientierung der Roboter  

Um Roboter an verschiedenen großräumigen Orten wie Fabriken, Lagerhallen, Krankenhäusern, Kaufhäusern und Innenstädten einzusetzen, müssen sich diese selbstständig innerhalb des Raumes orientieren und lokalisieren können. Hierfür wird SLAM-Technologie (SLAM = Simultaneous Localization and Mapping) benötigt, die es unter Verwendung von GPS dem Roboter ermöglicht, den eigenen Standort zu bestimmen und eine Karte der Umgebung zu erstellen.

Beine

Die Räume unseres Alltags sind an Menschen und ihre Fortbewegungsweise angepasst und damit für Roboter nicht ideal. Deshalb werden Roboter mit Beinen entwickelt, z. B. von Boston Dynamic (USA) und Agility Robotics (USA).

Cloud Robotics

Da Kameras und Roboter voneinander getrennt sein können, sind schnurlose Methoden der Steuerung denkbar. Wenn die Steuerungsprogramme in der Cloud platziert werden, ermöglicht dies ein integriertes Management vieler Roboter. Durch die nächste Entwicklungsstufe im Mobilfunk, 5G, könnte dies realisierbar werden.

Robustheit

Je mehr Roboter sich verbreiten, desto wichtigerwird die Frage ihrer Robustheit und Haltbarkeit. Auchim Fall von Robotern, die von Venture-Unternehmen entwickelt wurden, wird die Hilfe von Großunternehmen notwendig, um sie als robuste und haltbare Maschinen in Massenproduktion herzustellen.

Sicherheit

Auch wenn künstliche Intelligenz-Technologie zur Vermeidung von Kollisionen etc. eingesetzt wird, können Situationen, in denen Menschen mit Maschinen zusammenstoßen, nicht verhindert werden. Dies ist der Grund, weshalb in Krankenhäusern einfache Auskunftsroboter oder Roboter zum Medikamententransport nur schwer eingesetzt werden können. Es besteht darüber hinaus das Risiko der Produkthaftung, weshalb Standardvorschriften entwickelt werden müssen, was solche Roboter leisten dürfen und was nicht. Und schließlich ist eine Versicherung gegen Unfälle beim Einsatz von Servicerobotern dringend notwendig.

Anpassung an eine vielfältige Welt

Im Unterschied zur Fabrikhalle ändert sich die Umgebung in der Innenstadt oder im Haushalt ständig. Es ist daher ein wichtiges Thema, wie Roboter auf diese Veränderungen in der Umgebung angemessen reagieren und die nächste Handlung entscheiden können. Menschen treffen solche Entscheidungen unbewusst. Eine entsprechende Steuerung von Robotern ist besonders schwierig.

Verständnis vager Befehle

Gleichzeitig können Roboter vage Aussagen wie “Ich verlasse mich auf dich” nicht verstehen und daher auch nicht in eine entsprechende Handlung umsetzen.

Da unser Unternehmen den Fokus auf die Weiterentwicklung von Robotik-Technologie für den chinesischen Markt legt, möchten wir einen Überblick über die Herausforderungen für Japan und China und zukünftige Entwicklungen geben:

Japan war bislang führend in der Herstellung von Industrierobotern. Allerdings unterscheiden sich die oben genannten bisherigen Herausforderungen an Industrieroboter und deren Verbreitung von denen, die sich zukünftig stellen werden. Daher lässt sich nicht sagen, ob Japan in der neuen Roboter-Welt diese Stellung auf jeden Fall beibehalten wird. Andererseits sind wichtige Technologien zur Herstellung einzelner Komponenten herausragend, und sowohl Großunternehmen wie kleine und mittlere Unternehmen können jederzeit flexibel liefern. Normalverbraucher sind Robotern gegenüber aufgeschlossen und ihre Akzeptanz ist hoch. Und das für die komplizierte Integration von Hardware und Software benötigte unermüdliche und beharrliche Temperament ist gegeben. Somit sind viele Pluspunkte für die Entwicklung von Robotern in Japan vorhanden.

In China wiederum herrscht eine enorme Nachfrage nach Automatisierung. Es besteht die Möglichkeit, relativ preiswerte Industrieroboter zu entwickeln. Die Verbreitung der Technik, die für die oben beschriebenen Herausforderungen an die Industrieroboter notwendig ist, wird aktiv vorangetrieben. Unter Führung der Regierung und von Großunternehmen wie Huawei wird die Digitalisierung der Industrie vorangetrieben und die Nutzung von Robotern stark gefördert. Die für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz unabdingbaren Daten sind reichlich vorhanden und das Teilen dieser Daten ist gesellschaftlich akzeptiert.

Darüber hinaus verläuft in China die Verbreitung von Service-Robotern sehr schnell. Seitens der Verbraucher gibt es nur geringfügigen Widerstand gegen Serviceroboter (was aber nicht bedeutet, dass eine emotionale Nähe zu ihnen besteht). Außerdem gibt es zahlreiche Hardware-Entrepreneure insbesondere in Shenzhen. Ressourcen wie Komponenten, Ingenieure sowie Risikokapital sind reichhaltig vorhanden.

Vor diesem Hintergrund planen wir Kooperationen mit deutschen Partnern, die Stärken in den oben geschilderten Bereichen aufweisen, um deutsche und japanische Technologie in China an den Start zu bringen, das sicher die Bühne für zukünftige Entwicklungen von Robotern werden wird.

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