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Kolumne (Oktober 2021)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Sind Lieferengpässe und Energiepreisanstieg nur ein temporäres Phänomen?

Do 14.10.2021, 10:08 Uhr

Auch in Zeiten der vermeintlich „abklingenden“ Coronapandemie kommt die Weltwirtschaft einfach nicht richtig in Fahrt – das Wachstum stockt, nicht zuletzt aufgrund von Lieferengpässen und deutlich steigenden Energiepreisen. Und das wirkt sich auf Länder wie Japan und Deutschland besonders gravierend aus, weil sie zu den Industrienationen mit einem relativ starken Standbein im produzierenden Gewerbe zählen.

Gestörte Lieferketten hemmen Produktion vorübergehend

Zu Beginn der Pandemie wussten die Unternehmen ihre Lieferketten schnell an die veränderten Bedingungen anzupassen und litten dementsprechend kaum unter einer Nachfrageschwäche, während der Dienstleistungssektor völlig atypisch maßgeblich die tiefe Rezession verursachte. Mit der Erwartung einer sich langsam erholenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lagen die Unternehmen dann aber daneben. Die Industrie verzichtete mehrheitlich auf Investitionen und baute Lagerbestände ab. In der Folge war daher eine angemessene Reaktion auf eine sich schnell erholende Wirtschaft, ausgelöst durch gelockerte Coronabeschränkungen und umfangreichen Staatshilfen, nicht möglich. Prominentestes Beispiel ist derzeit die globale Knappheit an Halbleitern. So kommt es aufgrund des Chip-Mangels bei nahezu allen großen Automobilherstellern zu Produktionskürzungen – und das trotz schon hoher und weiter steigender Auftragseingänge. Neben Deutschland hat auch der Automobilsektor in Japan erneute Einschränkungen für die nächsten Monate angekündigt. Nach einem Anstieg der Produktionsvolumina in den Monaten Juni und Juli, sank die japanische Automobilproduktion im Vergleich zum Vorjahr im August erneut. Der branchen-übergreifende Engpass an Halbleitern könnte die internationale Produktion daher noch einige Monate lähmen, ist aber dennoch als vorübergehendes Problem einzuschätzen.

Deutlich steigende Energiepreise deuten auf einen Strukturwandel

Dagegen dürften die aktuell deutlich steigenden Energiepreise ein starkes Indiz für einen Strukturwandel sein – auch wenn sie sich zum Teil auf das zurzeit gedrosselte Angebot an Öl und Gas von Russland und der OPEC zurückführen lassen. Viel stärker ins Gewicht fällt aber dabei, dass gleichzeitig weltweit der Fokus auf Klimaneutralität liegt – und dementsprechend viele Staaten die Förderung und den Verbrauch von fossilen Brennstoffen reduzieren wollen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern. So haben auch die Europäische Union und Japan ambitionierte Pläne zur Dekarbonisierung ihrer Industrien verabschiedet, was einen zunehmenden Schwerpunkt auf erneuerbare Energien impliziert. Auch deswegen ist nicht zu erwarten, dass sich die Lage an den Energiemärkten kurzfristig entspannen könnte.

Ganz im Gegenteil: Kalte Wintermonate dürften das Angebot an Energie noch weiter verknappen und den Preisanstieg noch „anheizen“. Das birgt neben hohen finanziellen Belastungen für Industrie und Privathaushalte aber auch Chancen. Japan und Deutschland importieren derzeit einen sehr hohen Anteil ihres jährlichen Energiebedarfs und sind bislang auf einige wenige Lieferanten angewiesen. Verstärkte Kooperationen in der „sauberen“ Energiegewinnung könnten daher bestehende Abhängigkeiten verringern.

Gerhard Wiesheu
Vorstandssprecher, B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
Gerhard Wiesheu
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