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Kolumne (Mai 2022)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Arbeitsmarkt: Mensch vs. Maschine?

Fr 13.05.2022, 08:47 Uhr

Die Diskussion über die Zukunft der Arbeit ist schon immer ein Dauerbrenner gewesen. Bis noch vor wenigen Jahren wurde bange die These diskutiert, dass vor dem Hintergrund des rapiden technologischen Wandels bald ein großer Teil der Arbeitsplätze überflüssig werden könnte. So schätzte die Beratungsfirma McKinsey in einer Studie von 2019 für die USA, dass mithilfe der jetzt schon zur Verfügung stehenden Technologien bei 60 Prozent der Arbeitnehmer ein Roboter oder Computer fast 30 Prozent der menschlichen Aufgaben übernehmen könnte. Das wären also schon jetzt insgesamt 18 Prozent aller menschlichen Aufgaben in der gesamten US-Wirtschaft – Tendenz steigend.

Tatsächlich ist jedoch in den USA, Europa und Japan genau das Gegenteil zu beobachten: So gibt es in Japan schon seit 2013 im Durchschnitt mehr als eine offene Stelle pro Bewerber. Von Anfang 2018 bis zum Beginn der Coronapandemie waren es im Durchschnitt sogar 1,6 offene Stellen pro Bewerber. In Deutschland berichten seit 2017 Unternehmen aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor, dass sie zahlreiche offene Stellen nicht besetzen können und ihre Produktion darunter signifikant leidet.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Alterung in beiden Gesellschaften der Grund für die Arbeitskräfteknappheit ist – gekoppelt mit einer robusten Erholung der Weltwirtschaft. Auch könnte das altbekannte Muster greifen, dass zwar aufgrund des technologischen Wandels immer Arbeitsplätze verloren gehen, aber auch immer wieder neue Arbeitsplätze in neu entstehenden Branchen geschaffen werden. Es gibt also noch keine Anzeichen dafür, dass Künstliche Intelligenz den Menschen permanent aus dem Arbeitsmarkt verdrängt. Nur in diesem Fall wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen zu rechtfertigen. 

Die Unternehmen müssen sich somit auf eine längere Phase der Arbeitskräfteknappheit einstellen. Umfragen bei Unternehmen zeigen, dass sie einerseits verstärkt auf technologische Lösungen setzen und deshalb hohe Investitionen für die Zukunft planen. Es muss jedoch andererseits auch eine effiziente Reallokation von Arbeitskräften aus unproduktiven Beschäftigungen in zukunftsfähige Arbeitsverhältnisse gewährleistet sein. Dazu werden sich die Unternehmen Gedanken machen müssen, wie sie Arbeitskräfte halten und gleichzeitig attraktiv für potenzielle neue Mitarbeiter werden können. Auch die Wirtschaftspolitik ist hier gefordert, für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt zu sorgen.

Gerhard Wiesheu
Vorstandssprecher, B. Metzler seel. Sohn & Co. AG
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
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