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Kolumne (August 2022)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Energiekrise: Kommt es zu einem kalten Winter?

Mo 15.08.2022, 16:02 Uhr

Die Energiekrise in Deutschland und Japan

Die weltweite Nachrichtenlage beruhigt sich nicht: Neben den vielen anderen Krisenherden wie den Lieferkettenengpässen und der nach wie vor akuten Coronapandemie ist in diesem Jahr auch noch eine Energiekrise dazugekommen, da Russland seine Energieexporte bewusst als Waffe gegen die demokratischen Staaten einsetzt. In Japan ist der Preis für Flüssiggas (LNG) seit August vergangenen Jahres um etwa 200 Prozent gestiegen, der in den Niederlanden gehandelte Erdgaspreis um etwa 700 Prozent. Die merklich gestiegenen Energiekosten machen sich auch schon in den Außenhandelszahlen aufgrund der höheren Importkosten bemerkbar: In Deutschland sank der Handelsbilanzüberschuss im 1. Halbjahr 2022 auf 37 Milliarden USD, im Vergleich zu noch 155 Milliarden USD im selben Zeitraum 2021. Erwirtschaftete Japan in den ersten 6 Monaten des Jahres 2021 noch einen Handelsbilanzüberschuss von 6 Milliarden USD, verzeichnet das Land im selben Zeitraum 2022 ein Handelsbilanzdefizit von knapp 65 Milliarden USD.

Wiederbelebung alter Energielieferanten 

Deutschland droht im kommenden Winter aufgrund von Gasknappheit sogar eine Einschränkung im Industriesektor, kurzfristige Elektrizitäts-Blackouts inklusive. Eine Laufzeitverlängerung der noch aktiven Atomkraftwerke wird aktuell intensiv diskutiert, bereits beschlossen ist hingegen der verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken. Zusätzlich wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, angeschlagene Energieunternehmen finanziell zu unterstützen. Ende Juli einigten sich die Bundesregierung und der angeschlagene Energiekonzern Uniper auf ein milliardenschweres Rettungspaket. Der drohende Blackout in Tokio Mitte März verstärkte ebenso in Japan die Rufe nach einer Wiederbelebung der Atomkraftwerke.

Windparks als Energie-Alternative?

Es gibt aber auch noch die nachhaltigeren, erneuerbaren Energien: In Deutschland wird seit Jahren über die Genehmigung und Errichtung von mehr Windparks diskutiert, was gerade jetzt notwendig wäre. Immerhin wurden die Rahmenbedingungen für eine Bauoffensive von Windparks jüngst verbessert – etwa durch eine Verdoppelung der ausgewiesenen Windkraft-Flächen auf zwei Prozent, verbindliche Vorgaben für die einzelnen Länder, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und vieles mehr. Allerdings scheinen die Widerstände und bürokratischen Hemmnisse insbesondere im Zubau von Windkraftanlagen weiterhin beträchtlich zu sein. Während den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres hat der Ausbau zu Land gegenüber dem Vorjahreszeitraum daher nahezu stagniert.

Auch in Japan könnte sich noch einiges tun: Schätzungen gehen davon aus, dass Japan mithilfe von Offshore-Windparks mehr als dreimal so viel Elektrizität produzieren könnte, wie es 2020 verbraucht hat. Stand Ende 2021 wurden mehrere Auktionen für den Bau von Windparks abgeschlossen. Durch eine Vielzahl an Investoren, auch aus dem Ausland, scheint eine Beschleunigung der Vorhaben in diesem Jahr möglich.

Flüssiggas-Importe als Zusatzmaßnahme

Zusätzlich zum Ausbau der alternativen Energien forciert Deutschland auch den Import von Flüssiggas. Insgesamt macht LNG etwa 14 Prozent des weltweiten Erdgasverbrauchs aus. Mittlerweile ist der Bau von fünf LNG-Terminals in Deutschland beschlossen, die Inbetriebnahme zumindest eines Terminals ist dabei Ende 2022 geplant. Die USA und Qatar dürften dann als weltweit größte Exporteure von LNG zu wichtigen Lieferanten für Deutschland werden – allerdings ist das Angebot an LNG auf den Weltmärkten begrenzt.

Die Energiekrise als Beschleuniger der Ernergiewende

Man darf ebenfalls nicht vergessen, dass die aktuelle Renaissance von Atomenergie, Kohle und Gas zulasten des Klimas geht. Denn der Klimawandel macht auch in diesen unbeständigen Zeiten keine Pause, sondern führt uns durch Hitzewellen, Dürren und andere Extremwetterereignisse vor Augen, was wir aktuell für ein energiepolitisches Risiko eingehen. Deshalb bietet diese Krise umso mehr die Chance, die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien in Japan und Deutschland zu beschleunigen – um eine bessere Diversifikation der Energielieferanten zu erreichen und das Klima zu schützen.

Gerhard Wiesheu
Mitglied des Vorstandes B. Metzler seel. Sohn & Co. AG
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
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