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Kolumne (August 2021)

Gerhard Wiesheu, DJW-Vorstandsvorsitzender

Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Herausforderung für die Weltgemeinschaft

Do 12.08.2021, 10:07 Uhr

steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre bedeutet steigende Temperatur weltweit

Extreme Hitze und Waldbrände in Nordamerika und Russland sowie Starkregen und Überschwemmungen in Japan und Deutschland führen uns eindrücklich die Folgen des stetig voranschreitenden Klimawandels vor Augen. Klimaforscher halten es für sehr wahrscheinlich, dass diese Wetterkapriolen keine voneinander unabhängigen Ereignisse sind, sondern auf eine einzelne Ursache zurückzuführen sind – die hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Schon 1978 leitete der Wissenschaftler John Mercer in einem Artikel in der Zeitschrift „Nature“ auf Basis der bekannten physikalischen Grundgesetze die derzeit zu beobachtenden Auswirkungen des Klimawandels präzise her. Der Zusammenhang ist eigentlich einfach: Eine steigende (fallende) CO2-Konzentration in der Atmosphäre bedeutet eine steigende (fallende) Temperatur weltweit. Die Herausforderung besteht somit darin, den CO2-Austoß so schnell wie möglich auf Netto-Null zu reduzieren. Tatsächlich ist jedoch das Gegenteil zu beobachten: So erhöhte sich der weltweite CO2-Austoß von 1990 bis 2019 von etwa 22 Gigatonnen pro Jahr auf etwa 37 Gigatonnen jährlich. Die steigenden CO2-Emissionen beschleunigen also noch den Temperaturanstieg und die damit verbundenen Wetterextreme.

Klimawandel und seine Folgen

Die steigenden Temperaturen und anhaltenden Dürreperioden verursachen schon heute in vielen Teilen der Welt Ernteausfälle und machen Lebensräume unbewohnbar. So zeigen die Ergebnisse einzelner Analysen sogar potenziell sehr negative Effekte des fortschreitenden Klimawandels auf die Lebensmittelproduktion in den kommenden Jahren. Zudem könnte der Meeresspiegel, der seit 1880 sowieso schon um 20 cm gestiegen ist, sich bis 2100 um weitere 50 cm erhöhen. Ein solcher Anstieg würde viele Küstengebiete in große Schwierigkeiten bringen. Wenn sich diese Entwicklungen nicht schnell umkehren oder bremsen lassen, erwarten Experten bis zur Mitte des Jahrhunderts weltweit mehrere 100 Mio. Klimaflüchtlinge.

Quantifizierung des Schadens durch Klimawandel

Die Volkswirte versuchen zwar, den Schaden des Klimawandels für die Wirtschaft zu quantifizieren, können dafür aber nur Modelle nutzen, die immer noch auf sehr stark vereinfachten Annahmen beruhen. So ist laut einer statistischen Auswertung vieler empirischer Studien zu diesem Thema von Prof. William Nordhaus aus dem Jahr 2017 ein Wohlfahrtsverlust von ca. 2 % des Bruttoinlandsprodukts zu erwarten, wenn die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 3 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen sollte. Darin sind jedoch nur die direkten, aber nicht die indirekten Temperatureffekte berücksichtigt worden. Zudem blieben sogenannte Kipppunkte außen vor – bestimmte Schwellenwerte des Temperaturanstiegs, bei deren Erreichen abrupte und teilweise unumkehrbare Veränderungen im globalen Klimasystem ausgelöst werden. Die Ergebnisse der volkswirtschaftlichen Modelle zeigen zudem große regionale Unterschiede. Lateinamerika, Afrika, Südasien und der Nahe Osten könnten überdurchschnittlich stark von den Folgen des Temperaturanstiegs betroffen sein. Prof. Levermann vom Potsdam-Institut für Klimaforschung geht beispielsweise in diesem Zusammenhang davon aus, dass es in Syrien aufgrund des Klimawandels eine lange Dürreperiode gab, die den Bürgerkrieg ausgelöst haben könnte.

Klare Regeln vereinbaren, Innovationen fördern

Die Herausforderungen für die Weltgemeinschaft sind also immens. Das Ziel muss es sein, die Netto-Neuemissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen so schnell wie möglich mindestens auf null zu senken. Wie in den allermeisten Ländern reichen die Bemühungen in Deutschland und Japan derzeit nicht aus, um den Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Die Europäische Union stellte daher am 14. Juli 2021 das ambitionierte „Fit for 55“-Programm vor, mithilfe dessen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 55 % gesenkt werden soll. Eine Reform des Emissionshandels, Klimaabgaben für außereuropäische Unternehmen, die in die EU exportieren wollen, und ausschließlich emissionsfreie Neuwagen bis 2035 sollen den Weg zum ersten klimaneutralen Kontinent ebnen. Wichtig für die Zukunft bleibt jedoch auch, die Diskussion nicht auf bestimmte Mikrorestriktionen zu lenken und einzelne Industrien über gezielte Verbote abzustrafen. Die EU sollte daher vermeiden, mit ihrem Klimaprogramm ein neues Bürokratiemonster zu schaffen.

So zeigen Erfahrungen aus der Vergangenheit, dass sich immer dann die besten Ergebnisse erzielen lassen, wenn der Staat zwar klare Regeln vorgibt und Innovationen fördert – dem privaten Sektor jedoch innerhalb der regulatorischen Grenzen freie Hand lässt, den besten Weg zum Ziel zu finden. Volkswirtschaftlich wäre es daher optimal, einen einheitlichen globalen CO2-Preis auf Basis eines globalen Emissionshandelssystems so festzusetzen, dass er automatisch Anreize bieten kann für Innovationen und Anpassungen im Produktionssystem. Denn wenn der Preis stimmt, sinkt die Notwendigkeit von bürokratischen Interventionen. Realistischer ist jedoch, dass große Staaten und Wirtschaftsräume wie Japan, die USA und die EU gemeinsam einen sogenannten Klimaclub bilden werden, der im Inneren einen einheitlichen CO2-Preis über Emissionshandel ermöglicht und im Äußeren auf Importe eine CO2-Steuer erhebt, eine sogenannte Carbon Border Adjustment Tax. Zudem könnte sich innerhalb des Klimaclubs ein Nachfragekartell etablieren, das Drittländer vom Handel ausschließt, die sich den Zielen des Klimaclubs nicht verschreiben.

Gerhard Wiesheu
Vorstandssprecher, B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG
DJW-Vorstandsvorsitzender
info@djw.de
http://www.djw.de
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