News & Infos

Fujifilm – "Wir entwickeln uns stets weiter, um Vordenker zu bleiben, statt Mitläufer zu werden"

Interview aus der J-BIG-Dezember-Ausgabe von Björn Eichstädt und Nina Blagojevic

Artikel unseres Fördermitglieds Storymaker GmbH

Mo 03.01.2022, 12:00 Uhr

Von Fotofilm im 20. Jahrhundert über Floppy Disks in den 1980er Jahren bis hin zu instax-Kameras, die heute auf Hochzeiten die Runde machen – die meisten Leserinnen und Leser sind sicher schon einmal mit Fujifilm-Produkten in Berührung gekommen. Entgegen dem, was der Firmenname vermuten lässt, bietet Fujifilm jedoch viel mehr als nur Kamera- und Fotolösungen. Wir haben mit Toshihisa „Toshi“ Iida, Präsident und Geschäftsführer der FUJIFILM Europe GmbH, über das diversifizierte Unternehmensportfolio, welches nicht nur Kameras, Medizintechnik und Gasmembranen umfasst, gesprochen. Ebenso ging es darum, wie die Erfahrung mit der Fotofilmproduktion das Unternehmen befähigt, bei der Produktion von Corona-Impfstoffen mitzuwirken.

J-BIG: Herr Iida, was können Sie uns über die Anfangszeit von Fujifilm erzählen?

Toshi Iida: Das Unternehmen wurde im Jahr 1934, also vor fast 90 Jahren, gegründet. Damals war die japanische Regierung sehr daran interessiert, ins internationale Filmgeschäft einzusteigen. Materialien für Kinofilme herzustellen war dann auch der ursprüngliche Unternehmenszweck von Fujifilm. Unsere Wurzeln liegen also in der Welt des Films. Basierend auf den Erfahrungen, die wir hier gemacht hatten, fingen wir schließlich an, unsere Material-, Beschichtungs- und Chemietechnologien auf neue Bereiche auszuweiten: Fotografie, aber auch medizinische Röntgenfilme oder Platten für den Offsetdruck. Außerdem stiegen wir in das Floppy-Disk-Geschäft ein und produzierten Magnetbänder für Videokassetten. Mit der Zeit überholten diese Geschäftsbereiche das Kinofilmsegment und wir erschlossen immer neue Tätigkeitsfelder. Das war in den Anfangstagen des Unternehmens so, und das ist auch heute noch so.

J-BIG: Sie sind jetzt seit 30 Jahren bei Fujifilm. Wie haben Sie diese Zeit und die Transformation des Fujifilmgeschäfts erlebt?

Toshi Iida: Ich bin direkt nach meinem Universitätsabschluss 1991 zu Fujifilm gekommen. Damals waren Fotografie, medizinische Bildgebungstechnologie und der industrielle Offsetdruck die drei Hauptsäulen unseres Geschäfts. Mein erster Job war in der internationalen Marketing-Abteilung, mit Schwerpunkt auf Fotofilmen. Das war etwa zu der Zeit, als wir mit der Entwicklung der instax-Kamera, der Sofortbildkamera-Serie von Fujifilm, begannen, und ich hatte die Möglichkeit, hier im globalen Marketing mitzuwirken.

Danach wurde ich in unser britisches Büro in London versetzt. Dort blieb ich sieben Jahre lang, von 1997 bis 2005 – eine ungewöhnlich lange Zeit für einen japanischen Expatriate. Ich hatte das Glück, dort eine Art goldenes Zeitalter des Fotofilmgeschäfts von Fujifilm mitzuerleben: Die Nachfrage nach Filmen erreichte im Jahr 2000 ihren Höhepunkt. Doch schon bald danach sank sie rapide, um 20 bis 30 Prozent pro Jahr – viel schneller, als wohl irgendjemand vorhergesehen hatte. Die Technologie und die Komponenten für digitale Systeme wurden mit der Zeit immer besser, sodass die Digitalkameras den Markt eroberten. Innerhalb von zehn Jahren war das Fotofilmgeschäft von Fujifilm auf nur noch 10 Prozent des Umsatzes zu Höchstzeiten gesunken, und das Unternehmen drohte, sein Kerngeschäft zu verlieren. Glücklicherweise war Fujifilm auch im digitalen Bereich schon früh gut aufgestellt. Wir waren 1988 tatsächlich der erste japanische Hersteller, der eine Digitalkamera produzierte, und 1997 brachten wir dann die erste Megapixel-Digitalkamera für Endkunden auf den Markt. Da wir in der Lage waren, beide Technologien, analog und digital, anzubieten, hatte ich in meinen Jahren in Großbritannien stets gut zu tun.

2005 kehrte ich nach Japan zurück, wo ich noch bis vor Kurzem tätig war – nach Europa kehrte ich erst vor einem Jahr zurück, inmitten der Corona-Pandemie. Während der fünfzehn Jahre in unserem globalen Headquarter war meine Hauptaufgabe das Geschäft mit Digitalkameras und Objektiven. Dazu gehörten auch einige industrielle Anwendungen wie Rundfunk-, Kino- oder Sicherheitsobjektive – im Grunde genommen alles, was mit dem Geschäft rund um optische Geräte und Kameras zu tun hatte.

Die Position des Präsidenten und Geschäftsführers für Fujifilm Europe wurde mir 2020 übertragen. Heute kümmere ich mich nicht nur um einen Geschäftsbereich oder eine Produktpalette, sondern um bis zu sieben verschiedene Geschäftssegmente in ganz Europa. Das ist sowohl in geschäftlicher als auch in kultureller Hinsicht eine große, aber auch sehr interessante Veränderung. Ich bin außerdem froh, dass ich bei dieser neuen Verantwortung mit einem vielfältigen, hilfsbereiten und engagierten Team in ganz Europa zusammenarbeiten kann.

J-BIG: Viele kennen Fujifilm als Fotofilm- und Kamerahersteller – wie sie schon erwähnt haben ein Geschäftsbereich, der sich stark verändert hat und dies auch weiterhin tut. Wie schafft es Fujifilm, der Entwicklung immer einen Schritt voraus zu sein?

Toshi Iida: Es war schon immer unsere Firmenphilosophie, nicht zu kopieren, was andere tun, sondern in die Richtung voranzuschreiten, in die sich unserer Meinung nach Kundinnen und Kunden oder die Gesellschaft bewegt. Wenn wir dafür unser Kerngeschäft neu überdenken oder umgestalten müssen, dann ist das eben so. Wir haben keine Angst vor Veränderungen, sondern versuchen immer, uns selbst und den Status quo, in dem wir uns gerade befinden, zu hinterfragen. Ich glaube, nur so können wir wirklich innovativ und zukunftsorientiert bleiben. Man darf es sich nicht bequem machen, sondern muss immer auf das schauen, was vor einem liegt. Wir entwickeln uns stets weiter, um Vordenker zu bleiben, statt Mitläufer zu werden.

Auch hier ist das Geschäft mit Digitalkameras ein gutes Beispiel. Um 2010 herum waren Digitalkameras der letzte Schrei – wir verkauften fast eine Millionen Stück pro Monat. Kompakte Digitalkameras machten mehr als 90 Prozent unseres Kamerageschäftes aus. Aber bei genauer Betrachtung der Trends, der Branche und der technischen Entwicklungen hatten wir den Eindruck, dass das noch nicht der Schlusspunkt sein würde. Und natürlich ereilte die kompakten Digitalkameras schließlich das gleiche Schicksal wie den analogen Film als Smartphone-Kameras immer besser wurden. In diesem Markt wagten wir daher den nächsten Schritt in Richtung spiegelloser Kameras.

Dazu kommt, dass wir seit den Anfängen des Unternehmens in den 1930er Jahren immer versuchen, unser Portfolio in verschiedene Geschäftsbereiche und Branchen zu diversifizieren. Der Healthcare-Sektor, zum Beispiel, war fast seit den Gründungstagen des Unternehmens ein wichtiger Teil unserer Geschäftsstrategie. Auf den ersten Blick mag dies ein völlig anderer Bereich sein als der der Fotografie, aber tatsächlich ist er tief mit unseren technologischen Wurzeln verbunden. Unsere ersten Schritte im Healthcare-Segment waren Röntgenfilme, die wir 1936 einführten und die bis vor etwa 20 Jahren in Krankenhäusern weit verbreitet waren. Genau wie im Privatkundenbereich ging dann auch die diagnostische Bildgebung nach und nach von analogen zu digitalen Technologien über. Fujifilm war das erste Unternehmen, das computergestützte Radiographie in der Medizin einführte, damals eine Revolution.

Von da an begannen wir, in neue Bereiche vorzudringen und taten dies, ganz im Sinne des Fujifilm-Mottos, mit dem Ziel, durch Innovationen neue Werte zu schaffen. Denken Sie beispielsweise an die Endoskopie: Auch wenn das nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, im Grunde ist ein Endoskop nichts anderes als eine kleine Kamera mit einem winzigen Objektiv und Sensoren. Heutzutage setzt die Diagnostik auch immer mehr auf Künstliche Intelligenz, weshalb wir unsere eigene KI-gestützte medizinische Plattform unter dem Namen REiLI entwickelt haben. Es handelt sich dabei um eine sehr fortschrittliche Technologie, aber auch hier kann man die Ursprünge zu fotografischen Bildverbesserungstechnologien, oder „Image Intelligence“, wie unser Produkt heißt, zurückverfolgen. Viele wissen gar nicht, dass Fujifilm der erste Hersteller war, der in seinen Digitalkameras eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt hat. Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass alles, was wir im medizinischen Bereich tun, mit unserem Film- und Fotogeschäft zusammenhängt, wenn es um die Basistechnologien geht.

Fujifilm hat immer schon geforscht, dazugelernt und sich weiterentwickelt. Darüber hinaus verfolgt die Fujifilm-Gruppe eine fokussierte und zielgerichtete M&A-Strategie, die kürzlich zur Übernahme des Diagnostiksektors von Hitachi führte, heute „Fujifilm Healthcare“. Das ist ein starkes Signal an unsere Kunden: Wir bieten umfassende Lösungen für medizinische Einrichtungen, die mit den großen europäischen Marktteilnehmern wie Siemens und Philips mithalten können. Wir sind bereit, uns dem Wettbewerb zu stellen – in Deutschland und darüber hinaus.

J-BIG: Gilt das auch für Ihre Life-Science-Produkte wie Pharmazeutika – ein Bereich in dem Sie jüngst expandiert haben? Wie ist dort die Verbindung zur Fotofilmtechnologie?

Toshi Iida: Die Verbindung mag weniger offensichtlich sein, aber sie ist definitiv vorhanden. Die Entwicklung von Fotofilmen erfordert ein tiefes Wissen über Materialchemie – wie man Zellen manipuliert, um das gewünschte Ergebnis in einer vordefinierten Umgebung zu erzielen.

Wir haben von Anfang an gelernt, dabei sehr akribisch zu sein. Wenn ein Fotofilm an Ihrem Hochzeitstag versagt, könnten alle physischen Erinnerungen an diesen besonderen Tag für immer verloren sein. Dieser Sinn für Gewissenhaftigkeit hat sich auf den Bereich der Biowissenschaften übertragen. Das chemische Kernwissen und die Technologien sind ebenfalls sehr ähnlich, so dass der Übergang in diesen Bereich nur natürlich und angemessen erschien. In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir mehr als 3 Milliarden Euro in unser biopharmazeutisches Geschäft in Großbritannien und Dänemark investiert. Erst diesen Dezember wurde eine neue europäische Life-Science-Produktionsstätte in Tilburg eröffnet. Wir investieren also heute stark in diesen Sektor und wachsen sehr schnell.

J-BIG: Wann und wie ist Fujifilm nach Deutschland gekommen, und wie hat sich das Geschäft hierzulande entwickelt?

Toshi Iida: Unser erstes Düsseldorfer Büro haben wir bereits 1966 eröffnet, wir sind also seit mehr als 50 Jahren auf dem deutschen Markt präsent. 1986 bezogen wir unser jetziges Büro, aber wir planen, Anfang 2022 in neue Räumlichkeiten umzuziehen. Unser neues Büro wird sich über 10.000 Quadratmeter erstrecken und auch einen großen Ausstellungsraum umfassen, der das gesamte Erdgeschoss einnehmen wird. Hier werden wir nicht nur unsere Produkte ausstellen, sondern auch das globale Konzept des Fujifilm Open Innovation Hub einführen, in dessen Rahmen wir gemeinsam mit potenziellen Partnern an zukünftigen Technologien arbeiten und Raum für Zusammenarbeit bieten können. Das ist eine große Bereicherung und spiegelt wider, wie sich unser Unternehmen im Laufe der Jahre vor Ort entwickelt hat. Wir haben mit einer kleinen Anzahl von Mitarbeitern angefangen – heute hat Fujifilm etwa 1.000 Mitarbeiter in Deutschland und etwa 6.000 in Europa insgesamt. Unser Hauptsitz ist und bleibt im Raum Düsseldorf, und wir haben einige weitere kleinere Einheiten in ganz Deutschland, zum Beispiel einen Anbieter für Fotoservice-Software in Bonn, einen Hersteller von medizintechnischen Instrumenten für die therapeutische Endoskopie in der Nähe von Nürnberg und eine Druckerei in Willich. Für diese Konzernunternehmen verfolgen wir eine Ein-Marken-Strategie – bis auf ganz wenige Ausnahmen treten alle Unternehmen unseres Konzerns auch unter dem Namen Fujifilm auf.

Fujifilm ist ein ziemlich stark diversifiziertes Unternehmen, aber wie Sie schon sagten, kennen uns die meisten Deutschen immer noch nur als Fotofirma. Meine Hauptaufgabe ist es, in Deutschland das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Fujifilm als Unternehmen viele Geschäftsfelder abdeckt. Deshalb haben wir vor etwa zwei Jahren unsere „NEVER STOP“-Kampagne gestartet, mit der wir kommunizieren, dass Fujifilm ein Multi-Technologie-Unternehmen geworden ist, und zum Ausdruck bringen, was das Unternehmen als Ganzes für die Gesellschaft leisten kann. Die Kampagne bringt auch unsere Unternehmenskultur sehr gut zum Ausdruck, die von dem Wunsch getrieben wird, immer wieder Innovationen zu schaffen und neue Wege zu gehen, auch im Angesicht von Herausforderungen.

Heute liegt der Schwerpunkt in Europa auf dem Healthcare-Sektor. In diesem Bereich gibt es viele historisch starke Konkurrenten, und wir wollen die Marke Fujifilm in der Gesundheits- und biopharmazeutischen Industrie, aber auch in der Öffentlichkeit und bei den lokalen Behörden bekannter machen und stärken. Im Bereich der Biowissenschaften agieren wir größtenteils als Dienstleister, wir agieren als Vertragshersteller oder entwickeln Zellkulturen für eine Reihe verschiedener Anwendungen. So liefern wir beispielsweise die Antigenkomponente für einige Corona-Impfstoffe. In diesem Fall agieren wir also als Partner der pharmazeutischen Industrie und liefern eine Schlüsselkomponente.  Wir züchten pharmazeutische Substanzen in sämtlichen Chargengrößen, von Millilitern bis zu tausenden von Litern.

J-BIG: Gibt es noch andere Geschäftsbereiche, die Sie auf dem deutschen Markt für besonders wichtig halten?

Toshi Iida: Neben den Bereichen Healthcare und Life Sciences verdient auch der Grafik- und Druck-Bereich Beachtung – traditionell ist das ja eine wichtige Branche in Deutschland. Historisch gesehen sind wir einer der größten Anbieter von Offsetdruck-Systemlösungen für die kommerzielle Druckindustrie für Zeitungen, Zeitschriften, Werbung und so weiter.

Heute kommen außerdem einige neue Technologien von Fujifilm Business Innovation, früher bekannt als Fuji Xerox Corporation, hinzu. Das Unternehmen wurde in den 1960er Jahren als Joint Venture zwischen Fujifilm und Xerox gegründet, wobei beide Unternehmen jeweils 50 Prozent der Anteile hielten. Dieses Joint Venture endete im März 2021, als wir 100 Prozent der Anteile übernahmen. Das Unternehmen befindet sich somit heute vollständig im Besitz von Fujifilm. Das gab uns die Freiheit, in den europäischen Markt einzutreten – zuvor hatte Fuji Xerox sein Geschäft auf Japan und Asien beschränkt. Als Anbieter von Drucklösungen aus einer Hand sehen wir in diesem Segment viele Möglichkeiten für Fujifilm, eine größere Präsenz in Europa aufzubauen. Im Endverbraucher-Segment gibt es zum Beispiel nach wie vor eine starke Nachfrage nach Farbfotopapier, wie man es zum Beispiel in Fotobüchern findet. Im gewerblichen Bereich haben wir Print-on-Demand-Geräte eingeführt. Viele Zeitungen und Zeitschriften mussten von der Großserienproduktion auf kleinere Auflagen umstellen. Fujifilm Business Innovation verfügt bereits über spezielle Lösungen für diesen Bereich, aber bis vor kurzem waren diese für den europäischen Markt noch nicht verfügbar. Das ändert sich jetzt.

Natürlich gibt es hier auch schon starke Wettbewerber, aber wir glauben, dass wir einige Produkte und Lösungen anbieten können, die auf dem Markt bisher Mangelware sind. Zum Beispiel sind unsere Drucklösungen tonerbasiert, anstatt auf Tintenstrahltechnologie zu setzen. Das gibt uns viel mehr Freiheit bei der Gestaltung von Farben wie Gold oder Pink, die mit einem CMYK-System nur sehr schwer darstellbar sind.

Ein weiterer Bereich, den wir in Europa vorantreiben, ist die Datenspeicherung. Vor ein paar Monaten haben wir das LTO9-Speicherband auf den Markt gebracht, das bis zu 18 Terabyte Daten speichern kann. Wenn die Daten komprimiert werden, sind es sogar 45 Terabyte – ein gewaltiger Fortschritt gegenüber den 1,44-Megabyte-Floppy Disks, mit denen wir angefangen haben. Tape-Systeme wie LTO9 benötigen weniger Strom als vergleichbare Datenspeichersysteme und können über ihre Lebensdauer einiges an CO2 einsparen. Darüber hinaus kann das Tape Daten für bis zu 50 Jahre speichern und bietet aufgrund seiner enormen Datenintegrität hohe Sicherheitsstandards. Von den 10.000 größten europäischen Unternehmen verwenden 97 Prozent Tape – darunter Banken, die Automobilindustrie, Forschungs- und Entwicklungszentren und Standesämter. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Heiratsurkunde oder Ihre Universitätsergebnisse auf einem unserer Tapes gespeichert sind, ist also ziemlich groß!

J-BIG: Gibt es auch Geschäftsbereiche, die zwar in Japan eine große Rolle spielen, es aber nicht auf den deutschen Markt geschafft haben?

Toshi Iida: Ein Bereich ist Kosmetik – der ist in Japan sehr erfolgreich, und meine Frau zum Beispiel liebt diese Produkte. Aber es ist sehr schwierig, diese Produktpalette auf den europäischen Markt zu bringen. Die Menschen assoziieren Fujifilm nicht mit Hautcremes, und es ist schwierig, das zu ändern.

Zumindest im Moment sehe ich viel mehr Potenzial für einige unserer Produkte im medizinischen Bereich, die in Europa noch nicht erhältlich sind, insbesondere Geräte für CT-, MRT- und Ultraschallscans. Hier haben wir die Chance, uns als Anbieter von Komplettlösungen zu etablieren, was ich sehr spannend finde. Ich bin optimistisch, dass diese Produktpaletten in Zukunft auch in Deutschland sehr erfolgreich sein werden.

J-BIG: Japanische Unternehmen sind bekannt für ihr langfristiges Denken. Wenn Sie eine Vision für das Jahr 2050 für Fujifilm in Europa formulieren müssten, wie würde diese aussehen?

Toshi Iida: 2017 hat Fujifilm seinen „Sustainable Value Plan 2030“ vorgestellt. Hier haben wir vier gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert, auf die wir uns konzentrieren wollen. Die erste ist die Gesundheit – darüber haben wir bereits ausführlich gesprochen. Die zweite ist der Wunsch, das Leben der Menschen zu bereichern. Die meisten unserer Konsumgüter, etwa der Bereich der Fotografie, fallen unter diese Kategorie. Der dritte wichtige Bereich ist „Energie und Umwelt“: Wie kann Fujifilm zu einer nachhaltigeren Welt beitragen? Ein Beispiel dafür, wie wir dieses Thema angehen, ist eine Membran für Gasreinigung, die wir in den Niederlanden entwickelt haben und produzieren. Das Produkt entfernt effektiv CO2 und andere schädliche Komponenten aus natürlichen Gasen, wodurch die Menge des in die Atmosphäre abgegebenen Kohlendioxids reduziert wird. Der Produktionsstandort selbst wird bereits heute zu 100 Prozent mit Windenergie betrieben. Der vierte Punkt ist die Arbeitswelt, wo insbesondere die Lösungen von Fujifilm Business Innovation eine große Rolle spielen werden. Ich bin sicher, dass wir bis 2050 viele neue und innovative Lösungen eingeführt haben werden, die alle vier zentralen Bereiche fördern: Gesundheit, Leben, Arbeit und Umwelt.

J-BIG: Wie ist Fujifilm in Europa und Deutschland organisiert? Wie ist die Beziehung zum japanischen Hauptsitz?

Toshi Iida: Neben dem globalen Headquarter in Tokyo haben wir auch regionale Headquarter für jede geografische Zone. Ich bin für den europäischen Hauptsitz verantwortlich, der für mehr als 50 Gruppengesellschaften und Zweigniederlassungen in Europa zuständig ist. Innerhalb dieser Region macht Deutschland etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Die Kommunikation, sowohl mit den Märkten als auch mit der Unternehmenszentrale, ist sehr intensiv. Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zum Erfolg in jedem Unternehmen in der engen Verknüpfung von und Abstimmung zwischen Forschung und Entwicklung, Produktion und den Marktanforderungen. Im Bereich Forschung und Entwicklung ist Japan natürlich tonangebend, aber wir haben auch regionale Forschungseinrichtungen. In Europa gibt es beispielsweise einen Forschungs- und Entwicklungs-Standort in den Niederlanden, der an bestimmten Projekten, wie den erwähnten Membranen, forscht.

Das Gleiche gilt für die Produktion: Wir haben durchaus eine umfangreiche Produktion in Europa, wobei das niederländische Werk das älteste ist. Hier werden Silberhalogenidpapier, Offsetdruckplatten und Membranen hergestellt. Wie bereits erwähnt haben wir in letzter Zeit auch einige größere Investitionen im Bereich Life Science und Biopharmazie getätigt und die Produktionskapazitäten von Fabriken in Großbritannien, in Dänemark und in den Niederlanden ausgebaut. Für diese Geschäftsbereiche ist Europa eine Schlüsselregion, nicht nur in Bezug auf das Marktpotenzial, sondern auch im Hinblick auf die Produktion.

Wenn es darum geht, Markttrends und -anforderungen zu verstehen und zu kommunizieren, spielen die Niederlassungen vor Ort natürlich eine ganz entscheidende Rolle. Vertrieb und Marketing werden vor Ort organisiert, und wir kommunizieren kontinuierlich Kundenbedürfnisse und Feedback an unsere globale Zentrale.

J-BIG: Wie stellen Sie sicher, dass die Kommunikation zwischen den Kontinenten und Kulturen reibungslos funktioniert? Haben Sie damit hier in Deutschland irgendwelche Probleme?

Toshi Iida: Glücklicherweise können wir auf eine lange Geschichte auf dem deutschen Markt zurückblicken. Ich glaube, da interkulturelle Kommunikation hier seit langem praktiziert wird, konnten viele der anfänglichen Probleme bereits aus dem Weg geräumt werden. Wir achten außerdem darauf, dass die Führungskräfte im Headquarter einige Zeit in Europa und anderen Regionen verbracht haben, so dass sie ein besseres Gespür für regionale Unterschiede haben und die Kulturen und Märkte bereits aus erster Hand kennen. Sowohl unser ehemaliger CEO, Präsident als auch einige der derzeitigen Vorstandsmitglieder in Tokyo hatten zuvor meine Position inne. Meiner Meinung nach hat die Tatsache, dass sie viel Erfahrung mit Geschäften und Menschen in Europa und insbesondere in Deutschland gesammelt haben, entscheidend dazu beigetragen, dass es keine wirklichen Probleme bei der interkulturellen Kommunikation gibt.

Umgekehrt reisen viele unserer europäischen Mitarbeiter regelmäßig geschäftlich nach Japan, so dass sie auch ein gewisses Verständnis für die japanische Wirtschaft und Kultur haben. Es ist immer noch sehr selten, dass europäische Mitarbeiter für längere Zeit in Japan bleiben. Unser derzeitiger CEO Teiichi Goto hat jedoch zum Ausdruck gebracht, dass wir uns mehr auf junge, talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit internationaler Erfahrung konzentrieren wollen – vielleicht werden wir also in Zukunft häufiger Kollegen aus Europa nach Japan entsenden.

Unabhängig vom Standort ist die Unternehmenskultur von Fujifilm jedoch überall die Gleiche. Wir legen Wert auf eine offene, faire und klare Kommunikation. Wenn Probleme auftreten, gehen wir sie gemeinsam an. Ich denke, dass dies auch dazu beiträgt, Missverständnisse zu vermeiden, seien sie kultureller oder anderer Natur.

J-BIG: Hat die Corona-Pandemie die internationale Zusammenarbeit innerhalb von Fujifilm beeinflusst?

Toshi Iida: Ich kam mitten in der Pandemie nach Deutschland und konnte daher lange Zeit nicht ins Büro gehen, um meine Kolleginnen und Kollegen persönlich zu treffen. Aber wir haben uns häufiger als früher online getroffen, sowohl innerhalb der deutschen Teams als auch darüber hinaus. Online-Meetings waren eine großartige Möglichkeit, Menschen schnell kennen zu lernen, und ich denke, dass uns diese neue Art der Kommunikation auch in Zukunft begleiten wird. Und ich muss sagen, dass die europäischen Fujifilm-Mitarbeitenden sehr gut mit der Situation umgegangen sind und proaktiv nach intelligenten und kreativen neuen Arbeitsmethoden gesucht haben. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Dennoch geht gegenüber persönlichen Treffen natürlich auch etwas verloren, und so war ich sehr froh, als ich ein wenig reisen und einige Kolleginnen und Kollegen endlich persönlich treffen konnte. Es war toll, durch das Reisen wieder ein gewisses Maß an Normalität zu erleben. Aber jetzt, wo die Zahl der Corona-Infektionen wieder ansteigt, müssen wir wachsam bleiben. Für Fujifilm ist es ein Muss, die Bedürfnisse des Unternehmens im Auge zu behalten und gleichzeitig die Sicherheit unserer Mitarbeitenden zu gewährleisten.

J-BIG: Gibt es etwas, das Sie an Ihren Reisen nach Japan besonders vermissen?

Toshi Iida: Ich bin aus zwei Gründen nach Europa gekommen: neue berufliche Herausforderungen und auch private Chancen, sich weiterzuentwickeln. Privat bin ich sehr glücklich über die neuen Erfahrungen, die ich in Deutschland machen kann, sei es Essen, Kultur oder Land und Leute. Wann immer ich das Gefühl habe, etwas von zu Hause zu vermissen, habe ich das Glück, dass ich hier in Düsseldorf immer Zugang zu hochwertigem Sake und japanischer Küche habe. Auch meine eigenen japanischen Kochkünste werden immer besser. Ich vermisse meine Tochter, die in Japan arbeitet, aber ich muss sagen, dass meine Frau und ich unsere Zeit hier sehr genießen. Ich kann nicht sagen, dass ich besonders viel vermisse. Vor allem jetzt, wo die japanischen Restaurants wieder geöffnet haben!

 


Den ursprünglichen Artikel sowie frühere Artikel finden Sie auch auf der Website von J-BIG: https://www.j-big.de/. Das Abonnement ist kostenfrei – über https://www.j-big.de kann man das E-Mail Magazin auf Deutsch, Englisch oder Japanisch bestellen. Kontakt zur Redaktion kann über redaktion@j-big.de aufgenommen werden.  

Sie erhalten die aktuelle J-BIG-Ausgabe, wenn Sie das Email-Magazin auf der Website kostenfrei abonnieren unter www.j-big.de.

Die Karriere von Toshi Iida führte ihn vom Studium direkt zu Fujifilm – und von dort in die Führungsebene des Unternehmens // Fotoserie: Gina Gorny / Fujifilm / 新卒で富士フイルムに入社し管理職まで上り詰めた飯田年久氏 // Photo series: Gina Gorny / Fujifilm Die Karriere von Toshi Iida führte ihn vom Studium direkt zu Fujifilm – und von dort in die Führungsebene des Unternehmens // Fotoserie: Gina Gorny / Fujifilm / 新卒で富士フイルムに入社し管理職まで上り詰めた飯田年久氏 // Photo series: Gina Gorny / Fujifilm
Nina Blagojevic und Björn Eichstädt auf den wandlungsreichen Spuren der Unternehmensgeschichte von Fujifilm / 富士フイルムの変遷を辿るニーナ・ブラゴイェヴィッジとビョルン・アイヒシュテット Nina Blagojevic und Björn Eichstädt auf den wandlungsreichen Spuren der Unternehmensgeschichte von Fujifilm / 富士フイルムの変遷を辿るニーナ・ブラゴイェヴィッジとビョルン・アイヒシュテット
Das Fotofilmgeschäft hat bei Fujifilm inzwischen deutlich an Bedeutung verloren – mit modernen spiegellosen Digitalkameras und Innovationen wie der Sofortbildkamera instax bleibt das Unternehmen dennoch der Branche treu / 最新のミラーレスデジタルカメラやインスタントカメラ「instax」のような革新的な製品が登場し、従来の写真フィルム事業の存在感が色褪せてきても、写真フィルム事業にもこだわり続けている富士フイルム Das Fotofilmgeschäft hat bei Fujifilm inzwischen deutlich an Bedeutung verloren – mit modernen spiegellosen Digitalkameras und Innovationen wie der Sofortbildkamera instax bleibt das Unternehmen dennoch der Branche treu / 最新のミラーレスデジタルカメラやインスタントカメラ「instax」のような革新的な製品が登場し、従来の写真フィルム事業の存在感が色褪せてきても、写真フィルム事業にもこだわり続けている富士フイルム
Für Europa sieht Toshi Iida große Potenziale vor allem im Healthcare-Bereich / 欧州では特にヘルスケア分野に大きな可能性を感じている飯田年久氏 Für Europa sieht Toshi Iida große Potenziale vor allem im Healthcare-Bereich / 欧州では特にヘルスケア分野に大きな可能性を感じている飯田年久氏
Was hat Fujifilm mit Corona-Impfstoffen zu tun? Björn Eichstädt fragt nach / 富士フイルムとコロナワクチンとの関係は?耳を澄ますビョルン・アイヒシュテット Was hat Fujifilm mit Corona-Impfstoffen zu tun? Björn Eichstädt fragt nach / 富士フイルムとコロナワクチンとの関係は?耳を澄ますビョルン・アイヒシュテット
Toshi Iida ist sicher: Mit neuen Produktkategorien lassen sich im deutschen Markt bisher ungenutzte Potenziale erschließen / 新しい製品群がドイツ市場における未開拓分野の可能性を開くと確信している飯田年久氏 Toshi Iida ist sicher: Mit neuen Produktkategorien lassen sich im deutschen Markt bisher ungenutzte Potenziale erschließen / 新しい製品群がドイツ市場における未開拓分野の可能性を開くと確信している飯田年久氏
Die Teams von J-BIG und Fujifilm im regen digitalen Austausch / デジタル空間における J-BIG編集部と富士フイルムチームの交流 Die Teams von J-BIG und Fujifilm im regen digitalen Austausch / デジタル空間における J-BIG編集部と富士フイルムチームの交流
Deutsch-japanische Beziehungen sind ein wichtiges Thema für J-BIG Redakteure Nina Blagojevic und Björn Eichstädt / 日独関係はJ-BIG編集部のニーナ・ブラゴイェヴィッジとビョルン・アイヒシュテットにとっても特に関心の高いテーマ Deutsch-japanische Beziehungen sind ein wichtiges Thema für J-BIG Redakteure Nina Blagojevic und Björn Eichstädt / 日独関係はJ-BIG編集部のニーナ・ブラゴイェヴィッジとビョルン・アイヒシュテットにとっても特に関心の高いテーマ
Wie gelingt die interkulturelle Kommunikation bei Fujifilm? Nina Blagojevic will es genau wissen / 富士フイルムにおいて異文化コミュニケーションはどのように行われているのか?詳細が気になる ニーナ・ブラゴイェヴィッジ Wie gelingt die interkulturelle Kommunikation bei Fujifilm? Nina Blagojevic will es genau wissen / 富士フイルムにおいて異文化コミュニケーションはどのように行われているのか?詳細が気になる ニーナ・ブラゴイェヴィッジ
Toshi Iida fühlt sich wohl in seiner neuen deutschen Heimat: Toshi Iida fühlt sich wohl in seiner neuen deutschen Heimat: "Meine Frau und ich genießen unsere Zeit hier sehr." / 「私も妻もここでの生活をとても楽しんでいます」ドイツ暮らしに満足する飯田年久氏

Fördermitglieder