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Unsere Aufgabe: Die junge Generation für die deutsch-japanische Partnerschaft gewinnen

Interview mit unserem Ehrenvorsitzenden Dr. Ruprecht Vondran

Neuigkeiten aus dem DJW-Vorstand

Do 13.10.2022, 15:20 Uhr

Unser Vereinsziel, den wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Japan weiter zu vertiefen und auf vielfältigen Ebenen zu stärken, erreichen wir gemeinsam mit dem Engagement und der Impulsgebung unserer Mitglieder und des gewählten Vorstands. Als Wirtschaftskreis bündeln wir einen großen Erfahrungsschatz, Expertise, und bilden ein stabiles Netzwerk an Kontakten in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.

Mit unserer Interview-Reihe "DJW Insights" stellen wir unser Team, unsere Special Advisor und unsere Vorstandsmitglieder vor. Was bewegte unsere Vorstandsmitglieder initial, im deutsch-japanischen Kontext aktiv zu werden? Warum engagieren sie sich in und mit unserem Wirtschaftskreis? Welche Ideen möchten Sie in naher Zukunft realisieren?

Das erste Interview zum Auftakt unserer Vorstände führten wir mit Dr. Ruprecht Vondran. Er ist Gründungsmitglied des DJW, führte den Wirtschaftskreis 1992 bis 2011 als Vorstandsvorsitzender und ist seit 2011 Ehrenvorsitzender unseres Vereins.

In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich ebenso gemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

Sie beschäftigen sich seit Jahren sehr aktiv mit der Förderung deutsch-japanischer Beziehungen und haben immensen Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern geleistet. Wie sind Sie erstmals mit Japan in Berührung gekommen?

Auf meine erste Begegnung mit Japan war ich leider denkbar schlecht vorbereitet. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hatte mir 1969 die Leitung ihres Büros in Brüssel anvertraut. Meine Aufgabe sollte es sein, die Beziehungen zu den europäischen Gemeinschaften auszubauen. Bei meinem Abschied aus Düsseldorf hatte ich eine von meinen Vorgesetzten erbetene Skizze für einen Brückenschlag nach Japan zurückgelassen. Kaum in Brüssel – ich hatte gerade meine Antrittsbesuche bei den „Hohen Kommissaren“ der Montanunion abgestattet - erreichte mich ein alarmierender Anruf, ich müsse umdenken. Neue völlig überraschende Devise, ich solle selbst umzusetzen, was ich für einen anderen aufgeschrieben hatte. Statt Europa nun Fernost. Es blieben mir nur Stunden, um meiner Verlobten mitzuteilen: „Gemeinsamer Anfang in Tokio statt in Brüssel“. Schon wenige Tage später saß ich im Flugzeug, spärlich ausgerüstet. Die Zeit hatte gerade gereicht, Hans Wilhelm Vahlefelds Bestseller, „100 Millionen Außenseiter - Die Neue Weltmacht Japan“, zu lesen. Viel Tiefgang war da nicht. Teil des Gepäcks waren aber zwei Empfehlungsbriefe, gerichtet an Inayama Yoshihiro, Präsident von Yawata Steel, und an Nagano Shigeo, Präsident von Fuji Steel. Das war von Gewicht. Mit diesen „Credentials“, gezeichnet von Hans Günter Sohl, dem legendären Thyssenchef, ging ich in Haneda von Bord und nahm Quartier im „New Otani“. Das Hotel war wenig später glanzvoller Rahmen für eine von Japan ausgerichtete Konferenz der Weltstahlindustrie. Ich war mittendrin. Insgesamt aber war es ein Sprung in recht kaltes Wasser.

Was fasziniert Sie am meisten an Japan? Welches Erlebnis blieb Ihnen besonders in Erinnerung?

Japaner haben viele Charakterstärken. Ich will nur eine hervorheben: Mehr als andere Nationalitäten, die ich im Lauf meines Wegs kennengelernt habe, besitzen sie die Fähigkeit, Gemeinschaft zu bilden. Das folgende Beispiel bringt noch eine andere Erinnerung aus 1969 zurück und macht an den Namen der beiden japanischen Industrieführer fest, die ich soeben genannt habe: Inayama und Nagano waren herausragende Persönlichkeiten, jeder mit klarer Kontur, eigener Erfolgsgeschichte und ausgeprägter Ambition. Aber sie hatten auch ein gemeinsames Ziel: Sie wollten ihrem Lande dienen, ihm nach verlorenem Krieg wieder Ansehen und Kraft gewinnen. Japan sollte in der Schwerindustrie Weltmarktführer werden. Sie sahen sich vor der nationalen Aufgabe, eine von den Besatzungsmächten zerstörte Einheit wiederherzustellen. In manchen Ländern führt Industriepolitik mit harter Hand zu einer solchen als notwendig erkannten Verschmelzung von Kapazitäten. In anderen Ländern bringt eine feindliche Übernahme an dieses Ziel … oder zwei Alphatiere zermürben sich gegenseitig. Anders in Japan. Einem Wink der Regierung folgend, stellten beide Spitzenmanager ihre persönlichen Eitelkeiten und Interessen zurück und einigten sich, auf gleicher Augenhöhe verhandelnd, im nationalen Interesse: „Nippon Steel“ war nicht nur das nüchterne Rechenergebnis zweier Industriemanager. Es war auch die Tat zweier Patrioten.

Ein zweites Beispiel ist sehr schlicht, frei von solcher Höhenluft. Wenn ein Land in Not ist, bedroht von Krieg oder von Naturkatastrophen, fliehen die Menschen. Das Motto: Rette sich, wer kann. Gilt das auch für Japan? Im März 2011 wird das Land von Erdbeben, Tsunami und radioaktiver Strahlung heimgesucht. Im April versammelt sich eine kleine Gruppe von deutschen Japanfreunden am Abflugschalter der Lufthansa in Frankfurt. Mit einem langfristig angesagten Besuch auf Honshu wollen sie ein Zeichen setzen: „Sichere Freunde erkennt man in unsicheren Zeiten“. Die Lage ist unsicher. Noch treibt der Wind die gefährlichen Wolken in die pazifische Weite. Aber was wird geschehen, wenn er landeinwärts weht? Diese Frage stellten sich viele. Nicht alle sind Helden. In dieser Zeit sind nur wenige zum Abflug Richtung Tokio bereit; aus Europa nur diese kleine Gruppe. Doch die Lufthansamaschine hebt nicht leer ab; Japaner füllen sie bis zum letzten Platz. In der Stunde der Not, wenn andere fliehen oder fernbleiben, beweisen sie ihre Liebe zum eigenen Land.

Welche Themen werden in Ihren Augen die bilateralen Beziehungen in Zukunft prägen?

Deutschland und China bilden mehr und mehr eine „Wirtschaftsgemeinschaft“ – nicht im staats- oder völkerrechtlichen, wohl aber im ökonomischen Sinn. Die Volksrepublik China stellt mit annähernd 1,5 Mrd. Einwohnern einen unwiderstehlich -verlockenden Markt dar. Große deutsche Unternehmen finden dort für mehr als ein Drittel ihrer Produktion einen scheinbar sicheren Absatz. Zugleich vertrauen sie diesem „Führerstaat“ (so nennt Wolfgang Ischinger, Präsident der Münchner Sicherheitskonferenz, diesen von einem Alleinherrscher regierten Wirtschaftskoloss) einen großen Teil ihrer jährlichen Investitionen an. Mit Blick auf verletzte Menschenrechte ist dies moralisch anfechtbar. Viele deutsche Unternehmer lehnen es ab, sich in dieser Kategorie zu bewegen. Sie berufen sich auf „Wandel durch Handel“, nehmen „Dispositionsfreiheit über privates Eigentum“ in Anspruch und melden vorsorglich Schadensersatzansprüche an, sollte die europäische Handelspolitik regulierend eingreifen. Ischinger argumentiert nüchtern auf einer anderen Linie: Moralisch falsche Entscheidungen können auch materiell sehr teuer werden. Unter Hinweis auf die Politik Russlands, eines anderen autoritären „Führerstaats“, warnt er vor der ständig wachsenden Abhängigkeit vom Reich der Mitte. Eine Risikoabwägung spricht für einen verstärkten Wirtschaftsaustausch innerhalb einer „Wertegemeinschaft“ wie es Japan und Deutschland sind. Der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis sollte dies verstärkt ins Bewusstsein heben.

Seit mehr als 10 Jahren unterstützen Sie uns nunmehr als Ehrenvorsitzender unseren Wirtschaftskreises und sind ein wichtiger Impulsgeber für unsere Arbeit. Wo liegen in Ihren Augen weiterhin Chancen und Potenzial für die Stärkung der deutsch-japanischen Beziehungen?

In meiner Zeit an der Spitze des „Verbandes Deutsch-Japanischer Gesellschaften“ (VDJG) habe ich einer Reihe von Themen besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dies auch in meinem Buch „Brückenköpfe – Im Dienst der deutsch-japanischen Partnerschaft“ wiederaufgenommen. Ein Zusammenspiel der Institutionen ist dabei maßgeblich. Hier deshalb nur Stichworte in Kürze:

  • Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die nachwachsende junge Generation für die gute Botschaft der deutsch-japanischen Partnerschaft zu gewinnen. 
  • Das seit langem diskutierte „Deutsch-Japanische Jugendwerk“ ist dazu die wirkungsvollste Sicherung.
  • Aber auch kleinere Lösungen sind hilfreich. Das bereits mit wichtigen Ländern vereinbarte Instrument von Parlamentsstipendien für Studenten und andere vielversprechende junge Multiplikatoren wäre ein Schritt in die richtige Richtung. 
  • Die „Deutsch-Japanische Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde“ (OAG) hat eine große Vergangenheit. Die von ihr früher geleistete wissenschaftliche Arbeit wird heute jedoch von anderen Institutionen übernommen. Die OAG bedarf deshalb einer Neuausrichtung. Ihr könnte eine Aufgabe als Zentrum für den sehr erwünschten grenzüberschreitenden Dialog der jungen Generation zugeordnet werden.
  • Angesichts der fortschreitenden Industrialisierung und Digitalisierung kommt dem Schutz des kulturellen immateriellen Erbes besondere Bedeutung zu. Im Generationswechsel geht sonst Wertvolles verloren. Dagegen kann ein enges Zusammenwirken unserer beiden Länder in diesem Feld beide Seiten bereichern.
  • Die Partnerschaft unserer Länder hat in Deutschland viele Freunde. Aber in einer pluralistischen Gesellschaft bedarf es einer Institution oder einer Einzelpersönlichkeit, die die unterschiedlichen Stimmen bündelt und ihnen im politischen Geschäft Gehör verschafft. Der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis kann hier Impulse setzen.

Wir danken unserem Ehrenvorsitzenden Herrn Dr. Vondran für das Gespräch, das er am 10.09.2022 mit uns führte.

DJW-Ehrenvorsitzender Dr. jur. Dr.-Ing. E. h. Ruprecht Vondran DJW-Ehrenvorsitzender Dr. jur. Dr.-Ing. E. h. Ruprecht Vondran

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