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Handel und Handeln in Japan – Erfahrungen und Einsichten aus 25 Jahren Otto Group im japanischen Einzelhandel

Thilo Bendler, Vice President Knowledge Management, Otto Group

Dieser Artikel erschien ursprünglich in den DJW News 4/2015 und beruht auf einem Vortrag von Herrn Bendler während einer DJW „Asa no Kai“ Veranstaltung am 3. Juli 2015 in Hamburg.

So 04.10.2015, 12:12 Uhr

Die Otto Group ist als weltweit tätige Gruppe von Multichannel Händlern und Dienstleistern in mehr als 23 Ländern aktiv. Dabei geht es oft darum, Erfolgsfaktoren aus ihren Ursprungsländern in andere Märkte mit Potential zu multiplizieren, mit so viel Anpassung wie möglich und so wenig Aufwand wie nötig. Neben den technisch-prozes­sualen Anforderungen gibt es dabei ein oft unterschätztes Feld von „weichen“ Herausforderungen, die beim Eintritt in ein neues Land oft vernachlässigt werden. Insbesondere asiatische Märkte und speziell Japan erfordern eine gute Vorbereitung und ein Verständnis für Heraus­forderungen und Chancen, gerade im Handel, also dem direkten Geschäft mit den japanischen Konsumenten.

Die Otto Group, mit mittlerweile vier Aktivitäten in Japan, hat dazu in den letzten 25 Jahren sehr viele Erfahrungen gesammelt, die ich gerne, auch aus persönlicher Erfahrung von fast 20 Jahren Japan-Geschäft, teile.

Das Eisberg-Prinzip – harte und weiche Faktoren. Nach rein objektiven Faktoren ist und bleibt Japan ein sehr attraktiver Markt, denn Japan ist der drittgrößte Einzelhandelsmarkt der Welt, hat eine sehr hohe Kaufkraft, hat Konsumenten mit sehr hohem Interesse an Marken und bietet eine ausgezeichnete Infrastruktur. Daneben gibt es aber mindestens genauso wichtige, nicht so offensichtliche Fak­toren, die über Erfolg oder Misserfolg eines Geschäftes entscheiden: 

  • Die großen kulturellen Unterschiede bei Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden werden oft unterschätzt. 
  • Die immer noch vorhandene Sprachbarriere auf beiden Seiten – wenige Japaner sprechen gutes Eng­lisch, noch weniger Deutsche Japanisch!
  • Große Unterschiede in den Managementphilosophien. Viele traditionelle japanische Unternehmen sind eher hierarchisch, paternalistisch organisiert, viele Japaner eben auch genauso ausgebildet und nicht wie wir es in Deutschland gewohnt sind.

Das heißt, es herrschen zum Teil ganz andere Spielregeln – die nicht besser oder schlechter sind – aber anders. Und, genau wie in einem Spiel, ist es sehr schwer zu gewinnen, wenn man die Regeln nicht versteht.

Japan ist anders – oft gehört und trotzdem richtig – oder? Natürlich ist Japan in vielen Dingen den westlichen Konsum­gesellschaften ähnlich. Jeder, der durch Tokyo geht und die unzähligen unterschiedlichen Marken auf Werbe­tafeln, in Geschäften oder an Produkten sieht, fühlt sich nicht fremd. Trotzdem haben japanische Konsumenten einige besonders ausgeprägte Erwartungen, die es zu er­füllen gilt:

  • Japanische Konsumenten sind bereit, hohe Preise zu zahlen, haben aber auch sehr hohe Qualitätserwartungen
  • Marken sind sehr wichtig, Markenbekanntheit ent­scheidend
  • Erwartungen an Service sind deutlich höher als in Deutschland
  • Gerade im Bereich Mode hat sich Japan von Fashion Follower zum Trendsetter entwickelt.

Neben den Konsumenten haben sich auch die japanischen Marken und Unternehmen im Einzelhandel entwickelt. So gibt es mit Firmen wie UNIQLO oder Muji sehr starke nationale Konkurrenz, die auch international erfolgreich sind. Dazu zieht der Markt aufgrund seiner Attraktivität viele inter­nationale Marken, von Masse bis Luxus, an.

Diese Entwicklung scheint fast paradox angesichts des Eindrucks, dass sich Japan seit 20 Jahren in einem Zustand der Stagnation befindet, wenn man sich die globalen Wirt­schafts­daten ansieht. Das ist ein Widerspruch, der Japan gut beschreibt – und mit dem man leben muss.

So hat der japanische Handel sich recht schnell vom Fuku­shima-Desaster erholt, aber bis heute nicht von der vergleichsweise moderaten Mehrwertsteuererhöhung von April 2014. So ist die Immobilienblase zwar schon lange geplatzt, trotzdem sind die Ladenmieten auf sehr hohem Niveau.

Japan als Vorreiter des e-commerce! Während technische Innovationen im e-commerce schon lange von der West­küste der USA kommen, bleibt Japan der Markt, den es an­zusehen gilt, wenn man im e-commerce in die Zukunft schauen will. In Japan gab es schon vor 15 Jahren die ersten mobilen Internet-Zugänge. Dank oder wegen der langen U-Bahn-Fahrten verbringen viele Japaner sehr viel Zeit im mobilen Internet. Für viele Japaner ist ihr Telefon der wichtigste, manchmal einzige Internet-Zugang.

Bei der Einreise nach Japan gibt es schon seit 10 Jahren keinen Stempel, sondern einen QR Code in den Pass. Aber auch hier gibt es Besonderheiten zu lernen und zu berück­sichtigen:

  • In Japan ist nicht Google, sondern Yahoo Markführer bei Suchmaschinen
  • In Japan ist nicht Amazon, sondern Rakuten der größte Internet-Marktplatz
  • Mobile Payment von der U-Bahn bis zum Softdrink im 7/11-Laden ist schon lange selbstverständlich.

Erfolg im japanischen Einzelhandel erfordert also auf diese für uns zum Teil noch neuen Erwartungen der Konsumenten einzugehen.

Sollen wir, oder sollen wir nicht? – Wie macht man Geschäfte in Japan. Über allem steht nach wie vor die Tatsache, dass Japan als zweitgrößter Einzelhandelsmarkt der Welt mit markeninteressierten, kaufkraftstarken Konsumenten eine überaus hohe Attraktivität bietet. Aber, Erfolg ist nicht einfach, vieles ist anders, vieles aber auch wie wir es kennen. Deshalb ist meine Empfehlung kurz und einfach, aber eben doch inhaltsreicher – wie ein gutes Haiku:

Verstehen Sie den Markt und die Konsumenten
Finden Sie ihren Weg, ihr Konzept so viel wie nötig und so wenig wie möglich anzupassen
Seien Sie flexibel und bereit, zu lernen

oder, kurz gesagt:

Geschäfte machen in Japan ist einfach und kompliziert.

© Marco2811, Fotolia © Marco2811, Fotolia

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