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Die Zeitenwende gibt es auch in Japan - so werden wir uns auch politisch noch näher kommen

Interview mit unserem Vorstandsmitglied Dr. Volker Stanzel

Neuigkeiten aus dem DJW-Vorstand

Mi 15.11.2023, 08:50 Uhr

Unser Vereinsziel, den wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Japan weiter zu vertiefen und auf vielfältigen Ebenen zu stärken, erreichen wir gemeinsam mit dem Engagement und der Impulsgebung unserer Mitglieder und des gewählten Vorstands. Als Wirtschaftskreis bündeln wir einen großen Erfahrungsschatz, umfassende Expertise, und bilden ein stabiles Netzwerk an Kontakten in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft.

Mit unserer Interview-Reihe „DJW Insights“ stellen wir unser Team, unsere Special Advisor und unsere Vorstandsmitglieder vor. Was bewegte unsere Vorstandsmitglieder initial, im deutsch-japanischen Kontext aktiv zu werden? Warum engagieren sie sich in und mit unserem Wirtschaftskreis? Welche Ideen möchten Sie in naher Zukunft realisieren?

Das zweite Interview haben wir mit unserem Vorstandsmitglied Dr. Volker Stanzel durchgeführt. Er war von 2009 bis 2013 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Japan und ist seit 2018 im Amt des Präsidenten des Verbands Deutsch-Japanischer Gesellschaften (VDJG). Seit 2016 ist Herr Stanzel als Vorstandsmitglied bei unserem Verein aktiv.

Sie waren von 2009 bis 2013 Botschafter Deutschlands in Japan, sind seit 2016 Vorstandsmitglied des DJW und seit 2018 als Präsident des Verbands Deutsch-Japanischer Gesellschaften (VDJG) tätig. Wie sind Sie erstmals mit Japan in Berührung gekommen?

Nun, jedenfalls nicht als Botschafter. Tatsächlich bin ich Japanologe. Dennoch geht mein Interesse an Japan noch weiter zurück: Als junger Teenager war ich aktiv in der Anti-Atomwaffenbewegung, die mit Blick auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki in Europa und den USA entstanden war. Mein Interesse war also von Anfang an eindeutig politisch unterfüttert; die kulturelle Faszination kam erst später dazu. Und sie hat nie mehr aufgehört.

Was fasziniert Sie an Japan am meisten?

Ganz allgemein gesagt: die Gesellschaft. Die japanische Gesellschaft hat über Jahrhunderte zwei Schlüsselfähigkeiten entwickelt. Einerseits kann sie auch ungeheuerliche Probleme - denken Sie nur an die Dreifachkatastrophe von 2011! - so verarbeiten, dass der Schaden für die Gemeinschaft erträglich gemacht wird. Andererseits ist die japanische Gesellschaft von grundsätzlicher Rücksichtnahme auf den anderen Menschen, auch den schwächeren, gekennzeichnet. Auch dies ist gewiss nicht immer unproblematisch, aber unter dem Strich haben wir eine Gesellschaft, die innere Konflikte in höherem Maße minimiert, als das sicherlich den meisten anderen Gesellschaften auf der Erde gelingt. Ob wir davon lernen können, ist eine andere Frage. Auch wir sind eine Gesellschaft, die sich über Jahrhunderte oder länger zu ihrer gegenwärtigen Gestalt entwickelt hat, so dass es schwer ist, die Notwendigkeit einschneidender Veränderungen zu erkennen, und noch mehr, sie auch umzusetzen. Schauen Sie nur auf die Konsequenzen aus der gegenwärtigen Zeitenwende!

Welche kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Japan und Deutschland haben Sie während Ihrer Amtszeit in Tokyo bemerkt?

Gewiss nicht nur während meiner Amtszeit! Um eine Frage, wie Ihre zu beantworten, muss man tiefer in eine Gesellschaft eintauchen, so, wie es mir etwa als Student ein wenig gelungen ist. Allerdings, dann merkt man auch sehr schnell, dass sich rasche Urteile verbieten. Jedenfalls würde ich zum einen sagen, dass sich Deutschland und Japan in ihrer Liebe zur Natur, wenngleich in unterschiedlicher Form, ähneln, zum andern, dass die Toleranz für und Neigung zur Exzentrik, wie wir sie in Japan finden, in Deutschland keine Entsprechung hat.

Mal etwas Persönliches: Was aus Deutschland haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Japan vermisst? Und was aus Japan hätten Sie gerne in Deutschland?

Für beides gibt es vieles. Zum ersten in Deutschland wohl der tolerante Umgang miteinander und die Neigung, auch „Fünfe gerade sein zu lassen“, selbst bei wichtigen Angelegenheiten. Aus Japan hätte ich gerne die höchst lockere Geselligkeit, die fast jederzeit und überall möglich ist, in Deutschland.

Welche Themen werden in Ihren Augen die bilateralen Beziehungen in Zukunft prägen?

Wir werden politisch näher zusammenkommen: die Zeitenwende gibt es schließlich auch in Japan. Wirtschaftlich werden unsere Unternehmen durch dieses Zueinanderrücken und den China-Faktor hoffentlich in der Lage sein, neue Formen profitablen Austausches zustande zu bringen.

Seit langem engagieren Sie sich aktiv für die Förderung des Austausches zwischen Deutschland und Japan. Wo liegen nach Ihren Einschätzungen weitere Potenziale für die Stärkung der deutsch-japanischen Beziehungen?

Potenziale gibt es dort, wo uns bestimmte Probleme besonders drücken, und wo beide Gesellschaften unterschiedliche Herangehensweisen ausprobieren, so dass sich die gemeinsame Erforschung zukünftiger Zusammenarbeit lohnt: die Alterung der Gesellschaft, der Rückgriff auf erneuerbare Energiequellen, sowie globale Fragen wie Klima- oder Biosphären-Schutz.

Und zu guter Letzt: Ihre Message an unsere DJW-Mitglieder.

Die Kultur und Gesellschaft von Deutschland und Japan bieten Möglichkeiten zur Entdeckung faszinierender und immer neuer Aspekte. Lassen Sie sich darauf ein! Lernen Sie beide Länder und ihre Menschen kennen, über den Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hinaus, und egal, ob Sie etwa in Düsseldorf oder in Tokio tätig sind. Sie werden Überraschungen erleben und von Japan oder Deutschland gefesselt sein. Viel Freude dabei!

Wir danken Herrn Dr. Stanzel für das Gespräch, das er am 8. Juni 2023 mit uns führte.

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