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Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der Europäischen Union mit Japan

Dr. Andreas Kaiser, Rechtsanwalt in Tokio

Eine rechtliche Einführung

Di 03.07.2018, 11:00 Uhr

Das WPA schafft die rechtlichen Grundlagen damit Unternehmen aus der EU zu möglichst günstigen Bedingungen Zugang zum japanischen Markt erhalten und umgekehrt. Gleichzeitig schafft es einen Rechtsrahmen, der wichtige wirtschaftspolitische Ziele wie Rechtssicherheit, Transparenz, Verbraucherschutz, Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche, soziale und umweltverträgliche Nachhaltigkeit gewährleistet. Die EU Kommission hat am 18. April 2018 den rechtlich bereinigten Vertragstext COM(2018) 193 final dem Rat der EU zur Beschlussfassung zugeleitet. Der Vertragstext hat einen Umfang von ca. 2.000 Seiten und wurde in die Sprachen der EU-Mitgliedstaaten übersetzt.

Die folgende Einführung gibt im ersten Teil einen Überblick über die Rechtsgrundlagen und den Normeninhalt des WPA und kommt zu  einem Zwischenergebnis.  Im zweiten Teil wird näher auf das Kernstück des WPA, nämlich die Liberalisierung des Handels und von Investitionen eingegangen und ein Ausblick auf die absehbare Rechtsentwicklung gewährt.

I. Rechtsgrundlagen

1. EU und Japan
Die EU verfügt über die exklusive Zuständigkeit im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik internationale Übereinkünfte abzuschließen, die sowohl die Organe der EU als auch alle Mitgliedstaaten binden. Diese Übereinkünfte werden von der Europäischen Kommission ausgehandelt und vom Rat der EU beschlossen. Das Europäische Parlament muss der Übereinkunft nachträglich zustimmen. Da es sich nach Auffassung der Kommission um kein „gemischtes Abkommen“ handelt, bedarf das WPA darüber hinaus nicht der Zustimmung der einzelnen Mitgliedstaaten.

In Japan obliegen dem Kabinett der Abschluss von zwischenstaatlichen Verträgen, wobei die Zustimmung beider Kammern des Parlaments erforderlich ist (Art.73 Nr.3 Verfassung). Die von Japan abgeschlossenen Verträge und die anerkannten Regeln des Völkerrechts sind gewissenhaft zu befolgen (Art.98 Verfassung).

Das WPA wird für die Vertragsparteien nach dem Völkerrecht frühestens verbindlich, nachdem die Vertragsparteien ihre internen rechtlichen Verfahren abgeschlossen haben, die für das Inkrafttreten erforderlich sind und die Ratifikation erfolgt ist.

2. Völkerrechtliche Verpflichtungen
Die EU und Japan sind Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO). Die Mitglieder der WTO haben sich im Allgemeinen verpflichtet einen Handelspartner nicht einem anderen gegenüber zu bevorzugen. Nichtdiskriminierung ist ein Kernprinzip der WTO das in der Inländergleichbehandlung und dem Meistbegünstigungsprinzip zum Ausdruck kommt. Eine Ausnahme von dieser Regel sind Freihandelsabkommen. WTO-Mitglieder erkennen die legitime Rolle von Freihandelsabkommen an, die darauf abzielen, den Handel zwischen ihren Parteien zu erleichtern, aber keine Handelshemmnisse gegenüber Dritten aufwerfen. Freihandelsabkommen sind ihrer Natur nach diskriminierend, da nur ihre Unterzeichner günstigere Marktzugangsbedingungen erhalten. Daher stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen das WPA nach WTO Recht zulässig ist.

WTO-Mitglieder dürfen Freihandelsabkommen unter bestimmten Bedingungen abschließen. Hierzu gehören für den Warenhandel Artikel XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens, GATT, und für den Handel mit Dienstleistungen Artikel V des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen, GATS. Im Allgemeinen müssen die Freihandelsabkommen den gesamten Handel abdecken und dazu beitragen, dass der Handel zwischen den Ländern des Freihandelsabkommens freier wird, ohne die Handelsbarrieren für die Außenwelt zu erhöhen.

Das WPA folgt diesen Vorgaben und enthält zahlreiche Verweise auf das GATT und GATS sowie weitere multilaterale Übereinkünfte und macht deren Bestimmungen zum Bestandteil des WPA. 

II. Überblick über den Normeninhalt des WPA

Das WPA besteht aus einer Präambel, dem eigentlichen Vertragstext und einer Vielzahl von Anhängen, die noch unvollständig vorliegen.

1. Anhänge
Die Anhänge sind integraler Bestandteil des gesamten Vertragswerks (Art. 23.6 WPA). 

Die vorhandenen Anhänge enthalten Festlegungen bezüglich Abbau und Beseitigung von Zöllen (Anhang 2-A), der Liste von Waren, die unter Exportverboten oder –beschränkungen stehen, bzw. Exportlizenzen erfordern (Anhang 2-B), Kraftfahrzeuge und -teile (Anhang-2-C), Erleichterung der Ausfuhr von japanischem Branntwein „shōchū” in traditionellen Flaschen der Größen vier gō (720 ml) und einem shō (1,8 l) (Anhang 2-D) und von Weinbauerzeugnissen (Anhang 2-E), Einleitende Bemerkungen zu den erzeugnisspezifischen Ursprungsregeln (Anhang 3-A),  erzeugnisspezifische Ursprungsregeln (Anhang 3-B), Information zur Anwendung der Kumulierungsregeln in Art.3.5 WPA (Anhang 3-C), den Wortlaut der Ursprungserklärung (Anhang 3-D), besondere Festlegungen für das Fürstentum Andorra (Anhang 3-E) und die Republik San Marino (Anhang 3-F), Lebensmittelzusatzstoffe (Anhang 6), Regulierungszusammenarbeit bei der Regulierung des Finanzsektors (Anhang 8-A), Listen für Dienstleistungen und  Investitionen und elektronischen Geschäftsverkehr (Anhang 8-B), Vereinbarung über den grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen zu Geschäftszwecken (Anhang 8-C), öffentliche Beschaffungen (Anhang 10), Gesetze und sonstige Vorschriften der Vertragsparteien bezüglich geographischer Angaben (Anhang 14-A), Liste geographische Angaben (Anhang 14-B), gemeinsame Erklärung (Anhang 23).

2. Die einzelnen Kapitel
Der eigentliche Vertragstext umfasst insgesamt dreiundzwanzig Kapitel.

Das erste Kapitel nennt die Ziele des Abkommens, nämlich Liberalisierung und Erleichterung des Handels und der Investitionen sowie die Förderung enger Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Japan (Art. 1.1). Unberührt bleiben Rechte und Pflichten aus Steuerübereinkünften (Art.1.3). Ausnahmen des Abkommens bestehen in den Bereichen der Sicherheit und Landesverteidigung (Art.1.5). Bestehende Übereinkünfte zwischen der Europäischen Union oder ihren Mitgliedstaaten und Japan werden durch dieses Abkommen weder ersetzt noch aufgehoben. Keine Vertragspartei ist verpflichtet in einer Art und Weise zu handeln, die nicht mit ihren Pflichten aus dem WTO-Übereinkommen vereinbar ist (Art.1.9 Abs.1 und 2). 

Das zweite Kapitel regelt den Warenhandel. Ziel dieses Kapitels ist die Erleichterung des Warenverkehrs zwischen den Vertragsparteien und seine schrittweise Liberalisierung im Einklang mit den Bestimmungen des WPA (Art.2.1). Wesentliche Instrumente zur Erreichung dieses Ziels sind die Verpflichtung jeder Partei ihre Zölle bei Einfuhren von Ursprungswaren aus dem anderen Land zu beseitigen oder abzubauen (Art. 2.4 i.V.m. Art. 2.8 und Anhang 2-A), Inländerbehandlung (Art.2.7) und Meistbegünstigung (Art.2.8 Abs.2). Ferner das Verbot höherer Abgaben bei Ausfuhrwaren im Vergleich zu gleichartigen Waren des internen Verbrauchs (Art.2.12), das Verbot von nicht-tarifären Beschränkungen von Ein- und Ausfuhren (Art. 2.15) und die Festlegung des Umfangs von Ausnahmen (Art.2.22). 

Das dritte Kapitel enthält die im Zusammenhang mit dem Warenhandel notwendigen Ursprungsregeln und Ursprungsverfahren. Nur Ursprungswaren einer Vertragspartei wird Zollpräferenzbehandlung durch die andere Vertragspartei gewährt. Auf der Grundlage eines Antragsverfahrens auf Zollpräferenzbehandlung durch den Einführer gewährt die Einfuhrvertragspartei einem Erzeugnis mit Ursprung in der anderen Vertragspartei die Zollpräferenzbehandlung bei der Einfuhr. 

Das vierte Kapitel behandelt Zollfragen und Handelserleichterungen. Es dient der Verbesserung des Zollrechts und der Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Insbesondere soll der Antragsteller verbindliche Vorabauskünfte von der jeweiligen Zollbehörde einholen können. Die Zollkontrollen sollen bei Sendungen mit geringen Risiken beschleunigt werden und auch nachträglich möglich sein. Bereits heute arbeiten die Zollbehörden der EU und Japan auf der Grundlage des am 30. Januar 2008 in Brüssel unterzeichneten Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Japans über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich zusammen. 

Das fünfte Kapitel betrifft die Zulässigkeit von handelspolitischen Schutzmaßnahmen (bilaterale und generelle) gegen etwaige Importschwemmen oder beim Dumping. 

Das sechste Kapitel regelt gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen. Damit wird auch die Zusammenarbeit im Rahmen des „SPS-Übereinkommen“ (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures) das Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen in Anhang 1A des WTO-Übereinkommens gefördert. 

Das siebte Kapitel ist technischen Handelshemmnissen gewidmet und nimmt insbesondere im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren Bezug auf das seit 2002 bestehende allererste Abkommen zwischen der EU und Japan über die gegenseitige Anerkennung der Ergebnisse von Konformitätsbewertungen in bestimmten Sektoren (sog. „Mutual Recognition Agreement“). 

Das achte Kapitel behandelt den Handel mit Dienstleistungen, die Liberalisierung von Investitionen und den elektronischen Geschäftsverkehr. Wie beim Warenhandel finden sich auch hier wieder die Grundsätze der Gewährung von Marktzugang, das Prinzip der Inländerbehandlung und das Meistbegünstigungsprinzip mit anschließender Beschränkung durch verschiedene Ausnahmeregelungen. Vertragsparteien behalten ihr Recht, in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten die zur Erreichung legitimer politischer Ziele erforderlichen Regulierungsmaßnahmen zu erlassen, wie etwa den Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit, der Umwelt oder der guten Sitten, des sozialen Schutzes oder des Verbraucherschutzes oder der Absatzförderung und Schutz der kulturellen Vielfalt.

Ausgenommen ist der Zugang von natürlichen Personen zum Arbeitsmarkt (Art.8.1 Abs.1-3). Der Personenverkehr ist in einem Unterabschnitt D behandelt, wo sich Regeln zu Einreise und vorübergehendem Aufenthalt von natürlichen Personen finden. Diese Regeln sind gemeinsam mit den dazugehörigen Anhängen 8-B und 8-C zu lesen. Eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung der Zulassung, Lizenzierung, des Betriebs und der Zertifizierung von Unternehmern und Dienstleistungsanbietern und insbesondere im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen soll erst für die Zukunft angestrebt werden (Art. 8.35).

Im neunten Kapitel sind Kapitalverkehr, Zahlungen und Transfers und vorübergehende Schutzmaßnahmen behandelt.

Das zehnte Kapitel enthält Regelungen zur öffentlichen Beschaffung. Laut Kommission erhalten Bieter aus der EU dadurch neue Chancen bei Ausschreibungen, da Japan ihnen insbesondere einen neuen Zugang zu den 48 subzentralen „Kernstädten“ mit über 300.000 Einwohnern gewährt, in denen 15 % der japanischen Bevölkerung leben, und bereit ist, die „Betriebssicherheitsklauseln“ für EU-Unternehmen, die auf dem Schienenverkehrsmarkt tätig sind, ein Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens aufzuheben.

Das elfte Kapitel betrifft Wettbewerbsregeln. Jede Vertragspartei wendet ihr Wettbewerbsrecht auf alle privaten oder öffentlichen Unternehmen an, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. Ausnahmen vom Wettbewerbsprinzip müssen transparent sein und sich auf diejenigen Maßnahmen beschränken die zur Wahrung des öffentlichen Interesses unbedingt erforderlich sind (Art.11.3 Abs.2). Bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts dürfen Unternehmen nicht nach der Nationalität oder Art der Eigentümerrechte diskriminiert werden (Art.11.5). Ferner gilt der Grundsatz der prozessualen Gerechtigkeit (11.6). Auf das Abkommen der EU mit Japan zur Zusammenarbeit gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 10. Juli 2003 wird Bezug genommen. Dort ist neben der Koordination und Zusammenarbeit bei der Anwendung der jeweils eigenen Wettbewerbsregeln auch bestimmt, dass eine Vertragspartei die andere ersuchen kann, gegen wettbewerbsbeschränkende Handlungen auf ihrem Gebiet vorzugehen, wenn diese Wettbewerbsbeschränkungen wichtige Interessen der ersuchenden Partei beeinträchtigen (Prinzip der „positive comity“, Art.5). Außerdem verpflichteten sich die Vertragsparteien dazu, im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Verfahren die wichtigen Interessen der anderen Partei zu berücksichtigen (Prinzip der „international comity“, Art.6).

Im zwölften Kapitel werden Subventionen behandelt. Die Vertragsparteien erkennen an, dass Subventionen von einer Vertragspartei gewährt werden können, wenn dies zur Erreichung politischer Ziele erforderlich ist. Bestimmte Subventionen können jedoch das ordnungsgemäße Funktionieren der Märkte verfälschen und die Vorteile der Liberalisierung von Handel und Investitionen untergraben. Grundsätzlich sollten Subventionen von einer Vertragspartei nicht gewährt werden, wenn sie feststellt, dass sie erhebliche negative Auswirkungen auf Handel oder Investitionen zwischen den Vertragsparteien haben oder haben könnten (Art.12.1).

Das dreizehnte Kapitel enthält Regelungen über Staatsunternehmen, Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten und erklärte Monopole, die kommerzielle Tätigkeiten ausüben. Diese sollen nicht diskriminieren und insbesondere auch die OECD-Leitsätze zur Corporate Governance in staatseigenen Unternehmen („Guidelines on Corporate Governance of State-Owned Enterprises“) befolgen.

Im vierzehnten Kapitel finden sich umfangreiche Regelungen zum gesamten Komplex des geistigen Eigentums. Auch hier gilt Inländerbehandlung (Art.14.4) und Meistbegünstigung (Art.14.5). Japan hat der im europäischen Recht relativ langen Schutzdauer für den Urheber eines literarischen oder künstlerischen Werkes im Sinne von Artikel 2 der Berner Übereinkunft für dessen Lebenszeit und bis 70 Jahre nach dem Tod zugestimmt (Art.14.13 Abs.1).

Das fünfzehnte Kapitel enthält zum ersten Mal in einer internationalen Übereinkunft Regelungen zur Leitung und Kontrolle von börsennotierten Unternehmen (Corporate Governance). Beide Vertragsparteien besitzen hier bereits bewährte Regeln und entsprechen den OECD Grundsätzen der Corporate Governance. Das Anlegervertrauen soll wohl noch mehr gestärkt und der Marktzugang erleichtert werden. Genannt werden auch die stärkere Überwachung der Leistung, Transparenz und Rechenschaftspflicht des Managements.

Das sechzehnte Kapitel behandelt das Thema Handel und nachhaltige Entwicklung. Der Zweck dieses Kapitels besteht darin, die Handelsbeziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien auf eine Weise zu stärken, die eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft fördern. Auch soll die Zivilgesellschaft beteiligt werden. Die Umwelt- und Arbeitsnormen der Vertragsparteien sollen aber nicht harmonisieren werden. Für Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der Arbeitsbedingungen ist in Art.16.9 auch das Vorsorgeprinzip („precautionary approach“) verankert.  Das Vorsorgeprinzip besagt, dass nicht nur wissenschaftlich gesicherte Gefahrenzusammenhänge eine Grundlage für Abwehr- und Präventionsmaßnahmen liefern. Vielmehr rechtfertigen auch empirische Ungewissheiten über Kausalabläufe ein Vorgehen zum Schutz nur möglicherweise gefährdeter Rechtsgüter.

Das siebzehnte Kapitel  ist der Transparenz gewidmet. Im Bewusstsein der Auswirkungen, die das Regulierungsumfeld auf Handel und Investitionen zwischen den Vertragsparteien haben kann, muss jede Vertragspartei eine transparente Regulierung schaffen, die für Personen einschließlich Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), wirksam und vorhersehbar ist (Art.17.2).

Das achtzehnte Kapitel ist überschrieben mit guter Regulierungspraxis und Zusammenarbeit in Regulierungsfragen.

Das neunzehnte Kapitel regelt die Zusammenarbeit im Bereich der Landwirtschaft.

Das zwanzigste Kapitel enthält eigene Regelungen für  kleine und mittlere Unternehmen. Insbesondere soll über Webseiten KMU nützliche Informationen bereitgestellt und Kontaktstellen eingerichtet werden, die bei der Nutzung der Chancen die dieses Abkommen bietet helfen sollen.

Im einundzwanzigsten Kapitel werden Verfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten bei der Auslegung und Anwendung des Übereinkommens bereit gestellt, wobei die Vertragsparteien im Wesentlichen selbst durch Diskussion und gegenseitige Einigung eine Lösung herbeiführen sollen. Etwaige Entscheidungen sind nur zwischen den Vertragsparteien bindend und können keine Rechte oder Verpflichtungen von natürlichen oder juristischen Personen begründen (Art. 21.15 Abs. 8). Privatpersonen können auch nicht Partei eines solchen Verfahrens sein. Natürliche Personen einer Vertragspartei oder juristische Personen, die in einer Vertragspartei niedergelassen sind, können lediglich informatorisch gemäß der Verfahrensordnung sog. Amicus-Curiae-Schriftsätze bei einem Schiedsgericht einreichen (Art.21.17 Abs.3).

Das zweiundzwanzigste Kapitel enthält institutionelle Bestimmungen.

Schließlich enthält das dreiundzwanzigste Kapitel die Schlussbestimmungen. In Art. 23.5 wird klargestellt, dass grundsätzlich nichts in diesem Abkommen so ausgelegt werden darf, dass Personen Rechte verliehen oder Pflichten auferlegt werden.

III. Zwischenergebnis

Dieser Überblick zeigt, dass die Vertragsparteien über den Inhalt eines präferenziellen Handelsabkommen hinaus, zahlreiche weitere Regelungen zur wirtschaftlichen Integration treffen wollen.  Daher wohl auch die Bezeichnung „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ das auf  eine Umbenennung des ursprünglichen Arbeitstitels „Freihandelsabkommen“ zurückgeht.  Bezüglich privater Rechte wurde deutlich, dass Wirtschaftsakteure zwar keine privaten Rechte aus dem WPA herleiten können, sie aber indirekt durch den künftigen Rechtsrahmen überwiegend profitieren werden. Auch haben Unternehmen die Möglichkeit, bei etwaigen Verstößen nationaler Vorschriften gegen das WPA ihre jeweiligen Regierungsstellen zu informieren, damit gegebenenfalls auf staatlicher Ebene Abhilfe geschaffen werden kann. Ferner wird die Zivilgesellschaft in manchen Bereichen einbezogen. Interessierte Kreise können damit auch auf informatorischem Wege wirksam Einfluss auf die Fortbildung des WPA nehmen und die Umsetzung kritisch begleiten.

IV. Die Bestimmungen zum Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie Investitionen

1. Warenhandel
1.1 Abschaffung von Zöllen
Jede Vertragspartei verringert oder beseitigt Zölle oder Abgaben jeglicher Art, die im Zusammenhang mit der Einfuhr von Waren erhoben werden (Art.2.4). Schutzmaßnahmen für landwirtschaftliche Ursprungserzeugnisse werden eingeschränkt (Art.2.5). Die Einreihung von Waren im Handel zwischen den Vertragsparteien erfolgt nach dem “Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung von Waren” der Weltzollorganisation (World Customs Organisation - WCO) abgekürzt „HS“ (Art.2.6).

1.2 Inländerbehandlung
Jede Vertragspartei gewährt den Waren der anderen Vertragspartei gemäß Artikel III des GATT 1994 eine Inländerbehandlung. Zu diesem Zweck wird Artikel III des GATT 1994 sinngemäß in das Abkommen übernommen und zu seinem Bestandteil gemacht (Artikel 2.7).

1.3 Meistbegünstigung
Reduziert eine Vertragspartei ihren Meistbegünstigungszollsatz, so gilt dieser Zollsatz für eine Ursprungsware der anderen Vertragspartei, wenn und solange dieser niedriger ist als der gemäß Anhang 2-A geltende Zollsatz für die gleiche Ware (Art.2.8 Abs.2).

1.4 Abschaffung von Einfuhr und Ausfuhrbeschränkungen, Begrenzung von Gebühren und Entgelten
Die Vertragsparteien dürfen bei der Einfuhr einer Ware der anderen Vertragspartei oder bei der Ausfuhr einer Ware oder ihrem Verkauf zwecks Ausfuhr in das Zollgebiet der anderen Vertragspartei außer Zöllen nur Verbote oder Beschränkungen einführen oder aufrechterhalten, die mit Artikel XI GATT 1994 vereinbar sind. Zu diesem Zweck wird Artikel XI des GATT 1994 sinngemäß als Bestandteil des WPA übernommen. 

Gebühren und Belastungen jeglicher Art im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr sind auf die Höhe der ungefähren Kosten der erbrachten Dienstleistungen begrenzt und sollen weder einen mittelbaren Schutz für heimische Waren noch eine Besteuerung der Einfuhr zur Erzielung von Einnahmen darstellen. Eine Vertragspartei verlangt keine konsularischen Amtshandlungen, einschließlich damit zusammenhängender Gebühren und Abgaben (Art.2.16). Die Vertragsparteien bekräftigen ihre bestehenden Rechte und Pflichten aus dem Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren in Anhang 1A des WTO-Übereinkommens (Art.2.17 Abs. 1). Allerdings darf jede Vertragspartei Einfuhr- oder Ausfuhrgenehmigungsverfahren nur dann einführen oder aufrechterhalten, wenn andere angemessene Verfahren zur Erreichung eines Verwaltungszwecks nicht angemessen verfügbar sind (Art.2.17 Abs.4). Spezifische Verpflichtungen in Bezug auf nichttarifäre Maßnahmen für Waren durch jede Vertragspartei sind in den Anhängen 2-C und 2-D enthalten (Art. 2.19).

Allgemeine Ausnahmen vom freien Warenhandel bestimmen sich entsprechend nach Artikel XX des GATT 1994 der Bestandteil des WPA ist (Art.2.22). Dabei handelt es sich um vorrangige Interessen wie etwa Schutz der öffentlichen Sitten, des Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen, Ein- oder Ausfuhr von Gold oder Silber, Sicherung der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften, Schutz nationaler Schätze von künstlerischem, historischem oder archäologischem Wert, die Erhaltung erschöpfbarer natürlicher Ressourcen, Gewährleistung der notwendigen Versorgung der inländischen Bevölkerung und der verarbeitenden Industrie mit Gütern und Materialien und ähnliche vitale Interessen.

1.5 Ursprungsregeln
Die Ursprungsregeln legen fest, welche Erzeugnisse aus dem Gebiet eines Vertragspartners stammen und damit im Gebiet des anderen Vertragspartners Zollpräferenzbehandlung genießen sollen. Die UR gelten unabhängig davon, wo sich die Erzeugnisse vor dem Grenzübertritt in den anderen Vertragspartner befinden. Die Bestimmung des Ursprungs ist einfach möglich bei Erzeugnissen aus Urproduktion (Art.3.2 Abs. 1a i.V.m. Art.3.3) oder wo die Produktion ausschließlich aus Ursprungsmaterialien (Art. 3.2 Abs. 1b) erfolgt. Weitaus komplizierter ist die Ursprungsbestimmung bei Verarbeitungsprozessen, bei denen Bestandteile mit fremden Ursprung verarbeitet werden (Art.3.2 Abs.1c, Anhang 3-B, Art.3.4). Entscheidend soll sein, in welchem Land die letzte wesentliche Veränderung stattgefunden hat.

Ursprungseigenschaft wird nicht erworben, wenn bei der Herstellung des Erzeugnisses in einer Vertragspartei ausschließlich eine oder mehrere in Art.3.4 genannten nicht ausreichende Be- oder Verarbeitungen an Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft durchgeführt werden. Hierzu zählen beispielsweise das Umpacken, die Anbringung von Unterscheidungszeichen, einfaches Anstreichen oder Polieren, einfaches Mischen von Erzeugnissen, oder einfache Zusammenstellung oder Montage von Teilen zu einem vollständigen oder fertigten Artikel. Als „einfach“ gilt eine Behandlung, wenn für deren Ausführung weder besondere Fertigkeiten noch speziell hergestellte oder dafür installierte Maschinen, Geräte oder Werkzeuge erforderlich sind.

Die Kumulierungsregeln des Art. 3.5 erlauben es ein Erzeugnis, das als Ursprungserzeugnis einer Vertragspartei gilt, als Ursprungserzeugnis der anderen Vertragspartei einzustufen, wenn es dort als Vormaterial bei der Herstellung eines anderen Erzeugnisses verwendet wird. Ferner darf eine Behandlung, die in einer Vertragspartei an einem Vormaterial ohne Ursprungseigenschaft durchgeführt wird, bei der Ermittlung, ob ein Erzeugnis ein Ursprungserzeugnis der anderen Vertragspartei ist, berücksichtigt werden. Mithin werden Herstellungsprozesse innerhalb der gesamten durch das WPA errichteten Freihandelszone als Einheit begriffen, gleich wo sie stattfinden.

Aus rechtlicher Sicht lassen sich die folgenden Methoden der Ursprungsbestimmung identifizieren:

(1) Änderung der zolltariflichen Klassifizierung.
Bei vielen Erzeugnissen wird der Ursprungserwerb an den Wechsel ihrer Klassifizierung auf der Nomenklatur des HS geknüpft. Abhängig von den Verarbeitungsprozessen, die eine Ware durchlaufen hat, ändert sich damit auch deren Klassifizierung. Es gilt, dass der Staat, in dem eine Ware die letzte Änderung ihrer Titelklassifizierung innerhalb der HS – Nomenklatur erfahren hat, als Herkunftsland angesehen wird. Unterschieden werden drei Klassifizierungswechsel, nämlich Änderung des Kapitels (Change in Chapter - “CC”), Änderung der Position (Change in Heading - “CTH”) und Änderung der Unterposition (Change in Sub-Heading “CTSH”). Problematisch bei der Ursprungsbestimmung kann sein, wenn trotz einer wesentlichen Veränderung einer Ware keine Änderung der Klassifizierung eintritt.

(2)  Bestimmte Verarbeitungsprozesse
Bei bestimmten Warengruppen wird festgelegt, dass durch bestimmte Verarbeitungsprozesse Herkunft erworben wird oder nicht. Positive Beispiele sind etwa biotechnologische Verarbeitung, chemische Reaktionen und andere in Bemerkung 5 im Anhang 3-A näher definierten Verarbeitungsprozesse. Als Ursprungsland gilt das Land, wo diese Verarbeitung stattgefunden hat. Diese Bestimmung hat den Vorteil, dass sie auf spezifische Warengruppen zugeschnitten ist und Ungenauigkeiten bei der Wertbestimmung vermeidet. Ein Nachteil könnte darin gesehen werden, dass Verarbeitungsprozesse vom tarifären Standpunkt zwar günstiger sind, aber vielleicht produktionstechnisch weniger innovativ oder effizient sind und damit den Fortschritt eher behindern.

(3)  Wertsteigerung
Hierbei wird der Herkunftserwerb einer Wertsteigerung durch Verarbeitung geknüpft. Dabei wird entweder nach dem Maximum an Wert, der einer Ware durch Verarbeitung in einem anderen Staat hinzugefügt werden darf gefragt, oder umgekehrt nach dem Minimum an dem durch Verarbeitung hinzufügten Wert, den eine Ware aufweisen muss, damit sie als einem Staat zugehörig angesehen werden kann.

Der Höchstwert von Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft wird als

"MaxNOM" bezeichnet und in Prozent ausgedrückt. Bei den meisten im Anhang 3-B bezeichneten Erzeugnissen liegt der MaxNOM bei 50% (EXW) oder darunter.

Der regionale Mindestinhalt eines Erzeugnisses wird als "RVC" bezeichnet und ist ebenfalls ausgedrückt in Prozent. In der Regel liegt dieser Wert bei 55% (FOB) oder darüber. 

Zwar bedient sich diese Methode relativ einfacher Berechnungsformeln, doch bestehen auch Nachteile. Der Nachweis aus welchem Staat ein bestimmter Teil einer Ware stammt, kann für den Hersteller mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden sein, so dass sogar die Zahlung eines Zolls günstiger sein kann. Weiterhin können Wechselkursschwankungen oder Aufschläge von Transportkosten bei der Bestimmung des Werts einer Ware zu Ungenauigkeiten führen. Effiziente oder billige Produktion wirkt sich auf den Wertanteil des Herstellers nachteilig aus. 

Daneben können andere in den Anhängen 3-A und 3-B festgelegte Anforderungen bestehen. 

1.6 Anspruch auf Zollpräferenzbehandlung, Ursprungserklärung
Die einführende Vertragspartei gewährt bei der Einfuhr einer Ware mit Ursprung in der anderen Vertragspartei auf der Grundlage eines Antrags des Importeurs auf Zollpräferenzbehandlung eine Zollpräferenzbehandlung, d.h. der Importeur hat bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch. Der Importeur ist für die Richtigkeit des Antrags auf Zollpräferenzbehandlung und die Einhaltung der in diesem Kapitel vorgesehenen Anforderungen verantwortlich.

Der Anspruch auf Zollpräferenzbehandlung beruht auf

(a) einer Erklärung des Ursprungs, aus der hervorgeht, dass der Ursprung des Erzeugnisses von dem Exporteur stammt; oder alternativ

(b) dem Wissen des Importeurs, dass das Produkt seinen Ursprung in einem Vertragsstaat hat.

Eine Ursprungserklärung kann von einem Exporteur eines Erzeugnisses auf der Grundlage von Informationen ausgestellt werden, aus denen hervorgeht, dass der Ursprung des Erzeugnisses in einem Vertragsstaat vorliegt, einschließlich Angaben zur Ursprungseigenschaft der bei der Herstellung des Erzeugnisses verwendeten Stoffe. Der Exporteur ist verantwortlich für die Richtigkeit der Angaben zum Ursprung und der bereitgestellten Informationen. 

Eine Erklärung über den Ursprung ist unter Verwendung einer der in Anhang 3-D enthaltenen Sprachfassungen des Textes in einer Rechnung oder in einem anderen Handelsdokument auszustellen, in dem das Ursprungserzeugnis hinreichend detailliert beschrieben ist, um seine Identifizierung zu ermöglichen. 

2. Investitionsliberalisierung
Die Gewährleistung von Marktzugang (Art. 8.7) verbietet einer Vertragspartei Maßnahmen beizubehalten oder zu erlassen, welche die privatwirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmern der anderen Vertragspartei beschränken. „Unternehmer einer Vertragspartei“ sind natürliche oder juristische Personen einer Vertragspartei, die ein Unternehmen im Gebiet der anderen Vertragspartei gründen möchten, gründen oder gegründet haben. Die von diesen Unternehmern gegründeten Unternehmen im Gebiet der anderen Vertragspartei werden als „erfasste Unternehmen“ bezeichnet.

Grundsätzlich untersagt sind alle Beschränkungen in Bezug auf die Anzahl der Unternehmen, den Gesamtwert von Transaktionen, die Gesamtzahl der Operationen oder die Gesamtmenge der Produktion, die Beteiligung von ausländischem Kapital, oder die Gesamtzahl der natürlichen Personen, die in einem bestimmten Sektor beschäftigt werden, oder Vorschiften über bestimmte Arten von Rechtspersonen oder Joint Venture durch die ein Unternehmer der anderen Vertragspartei eine wirtschaftliche Tätigkeit nur ausüben darf.

Als Ausdruck der Nichtdiskriminierung enthält Art.8.8 den Grundsatz der Inländerbehandlung und Art. 8.9 das Meistbegünstigungsprinzip. Art.8.10 verbieten Vorschriften nach denen ein erfasstes Unternehmen natürliche Personen einer bestimmten Staatsangehörigkeit als Executives, Führungskräfte oder Mitglieder des Leitungs- beziehungsweise Kontrollorgans ernennen muß.

Art.8.11 enthält das Verbot von bestimmten Leistungsanforderungen an Niederlassungen und Unternehmen im jeweiligen Vertragsgebiet. Dazu gehören bestimmte Vorschriften über Mindesteinfuhrmengen, Inlandsanteil, Koppelung der Einfuhren an Ausfuhren oder Devisenzuflüsse, Verkaufsbeschränkungen, Ausfuhrbeschränkungen, Zwang zu Technologietransfers, Zwang zur Lokalisierung des internationalen Unternehmenssitzes, Zwang zur Einstellung lokaler Arbeitnehmer, Niveauanforderungen an Forschung und Entwicklung, Ausschließlichkeitsbindungen, Vorschriften über Lizenzgebühren und Laufzeit eines Lizenzvertrags. 

Einige dieser Verbote sollen auch dann gelten, wenn eine Vertragspartei statt eines Verbotes die Leistungsanforderung an die Gewährung oder Weitergewährung eines Vorteils im Zusammenhang mit der Errichtung oder dem Betrieb eines Unternehmens knüpft.

Auch ist keine Vertragspartei gehindert, im Zusammenhang mit der Niederlassung oder dem Betrieb von Unternehmen in ihrem Gebiet die Gewährung oder Weitergewährung eines Vorteils an die Bedingung zu knüpfen, in ihrem Gebiet eine Produktion anzusiedeln, eine Dienstleistung zu erbringen, Arbeitskräfte auszubilden oder zu beschäftigen, bestimmte Einrichtungen zu bauen oder auszubauen oder Forschung und Entwicklung zu betreiben. Unberührt bleiben auch Anforderungen im Rahmen von Exportförderungs- und Auslandshilfeprogrammen. 

Nach einem Negativlistenansatz müssen alle Sektoren und Maßnahmen, die Investitionen betreffen, liberalisiert werden, sofern in Anhängen, die Vorbehalte oder eine Liste nichtkonformer Maßnahmen enthalten, nichts anderes festgelegt ist.

Diese Vorbehalte und nichtkonforme Maßnahmen sind in den Anhängen zur Anlage 8-B enthalten.

3. Grenzüberschreitender Handel mit Dienstleistungen
Ebenso wie bei der Investitionsliberalisierung geht es auch beim Handel mit Dienstleistungen nicht darum Zölle abzubauen, denn naturgemäß sind Dienstleistungen im Gegensatz zu Waren nicht als körperliche Gegenstände greifbar und daher wären Zölle auf sie nur schwer zu erheben. Im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs wurde ausdrücklich geregelt, dass auf elektronische Übertragungen kein Zoll erhoben wird. Vielmehr geht es hier darum die Märkte zu öffnen und Diskriminierungen abzubauen, damit Dienstleister überhaupt erst Marktzugang im andern Vertragsstaat erhalten und ihre Dienstleistungen wie Inländer erbringen können. Zur Freiheit der Leistungserbringung kommt als notwendiges Gegenstück die Freiheit des Leistungsempfangs. Eine Verpflichtung nach Art.V GATS zur Schaffung gleicher Marktzugangsbedingungen besteht nach allgemeiner Auffassung allerdings nicht. Vielmehr kann jeder Staat autonom bestimmen, welche Dienstleistungen es in den eigenen Märkten integrieren will. Zudem bestehen wegen der Besonderheiten bei verschiedenen Dienstleistungen in verschiedenen Ländern spezifische zwingende Anforderungen die einer sofortigen Liberalisierung nur schwer zugänglich wären. 

Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr umfasst die Produktion, den Vertrieb, die Vermarktung, den Verkauf oder die Bereitstellung einer Dienstleistung; den Erwerb, die Nutzung oder die Bezahlung einer Dienstleistung und im Zusammenhang mit der Erbringung einer Dienstleistung auch den Zugang zu und die Nutzung von Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit allgemein angeboten werden (Art.8.14). 

Grundsätzlich darf eine Vertragspartei weder auf der Grundlage einer Gebietseinteilung noch auf der Grundlage ihres gesamten Hoheitsgebiets Maßnahmen beibehalten oder erlassen, die Beschränkungen auferlegen bezüglich der Zahl der Dienstanbieter, den Gesamtwert von, oder die Gesamtzahl der Dienstleistungsvorgänge oder die Gesamtmenge des Dienstleistungsoutputs. Ferner dürfen keine bestimmte Arten von juristischen Personen oder Joint Venture, über die ein Dienstleister eine Dienstleistung erbringen kann, vorgeschrieben werden (Art. 8.15). Art. 8.16 enthält Inländerbehandlung und Art.8.17 die Meistbegünstigungsklausel. 

Die vorbehaltenen nichtkonformen Maßnahmen und Ausnahmen für Investitionen und den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen enthalten Art. 8.18 und Anhang 8-B1 für gegenwärtige Vorbehalte und Anhang 8-B2 für zukünftige Vorbehalte. Die japanischen Vorbehalte finden sich dabei im Anhang 8-B1 auf den Seiten 228 ff. und im Anhang 8B-2 auf Seiten 167 ff. (englische Fassungen). Dabei handelt es sich vor allem um regulatorische Anforderungen für ausländische Dienstleister und Investoren wie z.B. Vorabinformationspflicht, Screening-Verfahren; Erlangen von Genehmigungen, Berechtigungen, Lizenzen; Gründung eines Unternehmens oder Büros, Gründung von juristischen Personen und Registrierung. Der Zugang zu den Berufen der Notare und Piloten ist an die japanische Staatsangehörigkeit geknüpft. Künftige Vorbehalte betreffen staatliche Maßnahmen zur Beschränkung von Finanzdienstleistungen, Beteiligung an staatlichen Unternehmen, Lieferung von Telegraphendiensten, Wett- und Glücksspieldiensten, Herstellung von Tabakwaren, Herstellung von Banknoten der Bank of Japan, Prägung und Verkauf von Münz- und Postdienstleistungen in Japan und technisch neuartige Dienstleistungen, und weitere Maßnahmen in dort genannten spezifischen Sektoren. 

4. Einreise und vorübergehender Aufenthalt natürlicher Personen
Im engen Zusammenhang mit der Liberalisierung von Handel und Investitionen steht auch die gegenseitige Erleichterung der Einreise und des vorübergehenden Aufenthalts von Geschäftszwecke verfolgenden natürlichen Personen der anderen Vertragspartei, wie Geschäftsbesucher für Gründungszwecke, unternehmensintern transferierte Personen, Investoren, Vertragsdienstleister, unabhängige Fachleute und kurzfristige Geschäftsbesucher. 

Eine Vertragspartei ist nicht gehindert, zu verlangen, dass natürliche Personen für den betreffenden Tätigkeitsbereich die in dem Gebiet, in dem die Dienstleistung erbracht wird, vorgeschriebene Qualifikation oder Berufserfahrung besitzen. 

Die japanischen Vorbehalte finden sich in den Seiten 15 ff. von Annex III zu Anhang 8-B und auf Seiten 48 – 58 in  Annex IV zu Anhang 8-B (englischer Fassung). 

5. Elektronischer Geschäftsverkehr
Der elektronische Geschäftsverkehr trägt zum wirtschaftlichen Wachstum bei und eröffnet in vielen Sektoren neue Handelsmöglichkeiten. Daher ist es den Vertragsparteien wichtig, die Nutzung und Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs zu erleichtern. Ziel des Abschnitts zum elektronischen Geschäftsverkehr ist es, einen Beitrag zur Schaffung eines Umfelds zu leisten, das von Vertrauen in die Nutzung des elektronischen Geschäftsverkehrs geprägt ist, und den elektronischen Geschäftsverkehr zwischen den Vertragsparteien zu fördern (Art.8.70 Abs.1, 2).

V. Ausblick

Mit Spannung wird das Inkrafttreten des WPA und dessen Umsetzung in nationale Vorschriften der beteiligten Staaten erwartet und man wird in den darauffolgenden Jahren sehen, ob sich die Erwartungen erfüllen und wie sich die Wirtschaftspartnerschaft weiterentwickeln wird.

Die im WPA nicht enthaltenen Normen für den Investitionsschutz und Regeln zur Streitbeilegung in diesem Bereich, die zu einem stabilen und sicheren Investitionsumfeld in der Union und in Japan notwendig sind, werden noch verhandelt und sollen in Form eines eigenen bilateralen Investitionsabkommens vorgelegt werden.

Parallel zu den Verhandlungen über das WPA wurden Verhandlungen über ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft („SPA“) geführt. Das SPA betrifft eine Reihe von Bereichen, darunter politischer Dialog, Energie, Verkehr, Menschenrechte, Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Technologie, Justiz, Asyl und Migration.

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Dr.jur. Andreas Kaiser 
Rechtsanwalt in der Kanzlei Kuroda und Partner in Tokio
office@andreaskaiser.com
https://www.k-law.pro/pages/en/die-kanzlei.php
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